Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
Schäfte schossen hinaus und suchten ihre Ziele.
Ein weiterer Magier stürzte ab, und der Mann, der getragen wurde, schrie auf. Jevin konnte nicht genau erkennen, wo der Pfeil getroffen hatte. Er hoffte, die
Wunde werde ihm einen qualvollen Tod bescheren. Er nickte.
»Verstaut die Waffen«, rief er. »Ausgucke zur Backbordseite. Wir wollen sehen, ob Elfen überlebt haben.«
Doch die Mienen seiner Männer bestätigten, was er im Grunde schon wusste.
Ilkar flog zur Jolle zurück, auf der der Rabe saß. Er hatte genug gesehen und ließ sich nun den Wind um die Nase wehen. Die ersten Regentropfen eines weiteren Regengusses spritzten ihm ins Gesicht. Wenigstens sollte er bald wieder festen Boden unter den Füßen haben.
Nach den ersten paar Tagen auf der Calaianische Sonne war er im Grunde nicht mehr seekrank gewesen. Inzwischen wusste er, wie er es vermeiden konnte, sich zu übergeben, auch wenn er immer noch nicht recht glücklich damit wurde, sich an Bord eines Schiffs zu befinden. Er hatte nicht die Absicht, wieder auf der Jolle zu landen.
Er flog neben dem Boot her, hielt sich auf der Höhe des Unbekannten, während der Regen stärker zu fallen begann und die von Böen getriebenen Topfen auf der Haut stachen.
»Wie sieht es aus?«, fragte der Unbekannte.
»Drei dordovanische Schiffe sind noch unterwegs«, sagte Ilkar. »Sie werden es bis Einbruch der Nacht nicht durch den ganzen Kanal schaffen, dazu sind sie zu langsam, aber sie kommen sicher bis zu der Stelle, an der wir das Schiff verlassen haben.«
»Hmm.« Der Unbekannte starrte nach achtern und schätzte die Entfernungen ab. »Dann müssen wir mit einem Angriff nach Einbruch der Dunkelheit rechnen«, sagte er schließlich. »Sie können, wenn sie Elfen dabei
haben, im Dunklen mit Jollen hierher segeln. Sie können auch Magier fliegen lassen. Schade, dass wir diesen verdammten Leuchtturm nicht abstellen können.«
»Wir wissen es nicht genau. Vielleicht gelingt es uns ja doch«, meinte Ilkar.
»Auch wieder wahr«, stimmte der Unbekannte zu. »Nun, da du offenbar nicht wieder zu uns hier ins Boot willst, kannst du auch gleich losfliegen und sehen, ob du etwas tun kannst.«
»Darauf bin ich tatsächlich auch schon gekommen«, antwortete Ilkar. »Ich könnte ja einen von euch mitnehmen, aber ich spare mir meine Kräfte wohl lieber auf.«
»Wir sehen uns dann in ein paar Stunden«, sagte der Unbekannte.
»Hast du etwas von den Kaan gesehen?«, wollte Hirad wissen.
Ilkar schüttelte den Kopf. »Nein. Auch von Jevin und der Meerulme habe ich nichts gesehen. Jedenfalls nicht von dort aus, wo ich war. Es tut mir Leid.«
Ilkar war froh, bald wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, und flog eilig nach Herendeneth.
Erienne schlug das Herz bis zum Hals, als sie sich Herendeneth näherte. Sie war weniger als fünfzehn Tage fort gewesen, doch in der Zwischenzeit hatte sich so viel verändert. So viel war zerstört worden.
Aus der Nähe war der Anblick der Klippen noch erschreckender als von unten. Die Illusion verfiel zusehends. Sie waberte, zersplitterte und baute sich unscharf wieder auf, an den schwächsten Stellen beinahe wie ein unvollkommenes Mosaik. An anderen Stellen war die Illusion bereits völlig verschwunden. Die außerordentlich komplizierte Mana-Struktur hinter ihr hatte sich aufgelöst
und war zerfallen. Irgendwann würde ein kritischer Punkt kommen, an dem sie vollständig zusammenbrach, aber das spielte jetzt keine große Rolle mehr.
Auf jeden Fall war die sorgfältige Maske aus abweisendem Fels dahin, und was dahinter lag, hinter der schroffen Realität der Riffe, war eine sehr gut bewohnbare Insel mit einem Wald und mit fruchtbaren Wiesen, die sich bis zu einem schlafenden Vulkan im Zentrum erstreckten.
Von oben war es noch deutlicher. Erienne flog in etwa einhundert Fuß Höhe und konnte das Haus, die Gärten und die Gräber sofort erkennen. Als sie näher kam und die Schäden des Hauses sah, keuchte sie.
Der ganze Westflügel war verschwunden. Trümmer und gesplittertes Holz waren in einen Riss gestürzt, der den Hang hinauflief und auch die Schönheit der Wiesen dahinter für immer zerstört hatte.
Die lieblichen Wasserläufe, Teiche und Wasserfälle hatten sich in reißende Ströme verwandelt. Sie waren über die Ufer getreten, und Erienne sah schon auf den ersten Blick mindestens vier Stellen, an denen das Wasser ins Haus eingedrungen war. Die Dächer der noch stehenden Gebäudeflügel wiesen viele Löcher auf,
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