Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
Gleichgewicht halten, und Aviana hatte offensichtlich die Gicht in den Knien.
Als sie ihre Kammern irgendwo in diesem riesigen Haus aufsuchten, waren sie einfach nur vier unglaublich alte Frauen, die miteinander murmelten. Erienne hätte beinahe gelacht, als ihr einfiel, dass die Morgendämmerung nicht mehr fern sein würde, bis sie in diesem Tempo ihre Betten erreicht hatten, doch sie beherrschte sich.
Sie schenkte sich noch ein Glas Wein ein und hielt es sich unter die Nase, um das betörende Fruchtaroma einzuatmen. Was, in aller Welt, hatte sie nur getan? Sie vertraute das Leben ihrer Tochter vier Hexen an, die aussahen, als habe ihr letztes Stündlein geschlagen. Eigentlich war es der helle Wahnsinn, aber irgendwie schien es doch vernünftig, und während ihre Ängste langsam schwanden, konnte Erienne erkennen, dass sie gefunden hatte, was sie gesucht hatte, auch wenn es ihr bisher entgangen war.
Ein Ziel für sich selbst und eine Chance für Lyanna.
Vielleicht konnte sie nun doch noch ruhig schlafen.
5
Als Ilkar erwachte, hörte er draußen auf dem Gelände das vertraute Hämmern. Dem Geruch nach sollte es ein weiterer trockener Tag werden, und durch die sanft wallenden Vorhänge am offenen Fenster fiel gleichmäßiges Licht herein. Neben ihm regte sich Pheone und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand. Ilkar lächelte, wie er es seit fünf Tagen, seit dem Abend mit den Tests in der langen Halle, jeden Morgen tat.
Es war eine wilde Nacht gewesen. Sie hatten grob zurechtgeschnitzte und bemalte Holzblöcke aufgebaut, die an Wesmen-Lords, an frühere und gegenwärtige Mitglieder des Kreises der Sieben in Xetesk und an das dordovanische Quorum erinnerten. Reihum hatten sie die Puppen mit einer äußerst abwechslungsreichen Serie offensiver Sprüche mit Feuer und Eis zerstört. Naturgemäß wurden einige Sprüche besser vorbereitet und gewirkt als die anderen.
Zwanzig Magier hatten sich an den Schießübungen beteiligt und ihre Frustration abgearbeitet, die sich über Wochen aufgestaut hatte. Es war ein spektakulärer Anblick,
wenn das magische Feuer an den Wänden abprallte oder wenn das Eis das Holz zerplatzen und in den Ecken des langen Raumes große Eiszapfen wachsen ließ, die gleich darauf wieder mit eng begrenzten Feuerstößen verdampft wurden, bis der Raum sich mit Nebelschwaden füllte. Immer wenn er nicht gerade selbst einen Spruch wirkte, baute Ilkar Schilde für diejenigen auf, die nicht ganz so gut zielten wie ihre Gefährten.
Ilkar hatte die ganze Zeit über Pheones Nähe gespürt, und während des Besäufnisses, das danach folgte, hatte er sie oft umarmt, und sie hatte den Kopf an seine Schulter geschmiegt. Seine Erinnerungen waren etwas verschwommen, aber er hörte noch ihr Gelächter und sah ihr strahlendes Lächeln und ihr offenherziges Hemd noch deutlich vor sich.
Der Sex im Alkoholrausch war hingebungsvoll und fantastisch gewesen, auch wenn er zugeben musste, dass ihm vieles entglitten war. Er war nicht sicher, wie lange es überhaupt gedauert hatte, aber das Gefühl, einen weiblichen Körper neben sich zu spüren, auch wenn es keine Elfenfrau war, hatte er sehr genossen.
Pheone hatte seine Sorgen beschwichtigt, sobald der Kater verscheucht war und ihre Köpfe wieder funktionierten. Elfen sollten sich eigentlich nicht mit Menschen einlassen, weil die unterschiedlichen Lebensspannen zwangsläufig zu Enttäuschungen führten, was allzu oft mit dem Selbstmord des fast immer länger lebenden elfischen Partners endete.
»Ich glaube, uns ist beiden klar, dass es nicht lange dauern wird«, hatte sie gesagt. »Aber im Augenblick brauchen wir uns. Genieße es und denke nicht zu sehr über das Morgen nach.«
Ilkar war nicht sicher, ob Pheone wirklich glaubte, was
sie sagte. Jedenfalls verliefen die folgenden Nächte leidenschaftlich und waren körperlich erfüllend, auch wenn für eine tiefere emotionale Bindung die Perspektive fehlen mochte. Und sie sollte Recht behalten. Ihre sexuelle Beziehung änderte seine Sichtweise grundlegend. Er hatte sich so sehr auf den Wiederaufbau von Julatsa konzentriert, dass alles andere in den Hintergrund getreten war. Er hatte sogar unwirsch auf die gelegentlichen Besuche des Unbekannten reagiert, was unverzeihlich war. Pheone hatte ihn daran erinnert, dass er hin und wieder ausspannen musste, und wenigstens dafür liebte er sie, falls Liebe das richtige Wort war.
Mehr als das, er hatte begonnen, über den Wiederaufbau des Kollegs hinauszublicken und
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