Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
unglaubliche seelische Stärke. Jedes Mal, wenn ich sie ansah, war es so, als hätte ich mich noch einmal neu in sie verliebt. »Deine Augen sind wieder blau«, meinte sie wehmütig.
»Ich glaube, du siehst mit deinen alten braunen Augen viel besser aus«, erwiderte ich.
Sie wechselte das Thema. »Und welche Geheimnisse hast du mir jetzt zu offenbaren?«
Ich öffnete die schwere Ledertasche, die ich am Gürtel trug. Darin befand sich der Edelstein, den ich bei der Erschaffung unserer Bindung benutzt hatte. Er glühte nicht mehr. Ich ließ den Stein in Ruhe und holte zwei Tuchbeutel hervor, die ich mit Tinte markiert hatte. »In diesem Beutel sind die Steine, die den Damm sprengen«, sagte ich. »Wenn der richtige Augenblick gekommen ist, zerstörst du sie. Ich hatte gehofft, die Feinde zuerst in das Tal zurückzutreiben, aber du musst dies nun selbst beurteilen, da ich nicht mehr da sein werde.«
»Und der zweite Beutel?«, fragte sie.
»Den halte ich vorerst noch fest, aber wenn ich sterbe, bevor ich ihn einsetzen kann, musst du ihn schnell an dich nehmen. Er enthält die Zünder für die Bomben da draußen.« Ich deutete auf den Boden vor uns zwischen der Außenmauer und der Palisade.
»Aber das ist doch schon innerhalb unserer Linien, oder?« Sie war sichtlich verwirrt.
»Die Palisade ist nur eine Falle. Ich hatte kein Eisen, aber ich habe die Männer vor und hinter der Palisade große Steine vergraben lassen. Den Grund habe ich ihnen aber nicht genannt. Von unserem Erdwall aus sind sie auf einer Fläche verteilt, die etwa hundert Schritte weit ist. Die nächsten liegen rund sechzig Meter vor der Mauer. Ich befürchtete unsere eigenen Wälle zu zerstören, wenn ich sie näher gelegt hätte.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich immer noch nicht. Warum hast du sie nicht weiter draußen vergraben?«
»Uns war das Eisen ausgegangen. Die Steine sind viel größer und schwerer. Ich hatte einfach nicht genug Zeit, um die Männer überall Löcher graben und Steine hineinwerfen zu lassen. Je weiter draußen man so etwas baut, desto mehr Raum muss man abdecken. Der einzige Punkt, wo sicher mit dem Feind zu rechnen war, ist die unmittelbare Umgebung.« Ich deutete nach unten und vor uns.
»Aber warum dann überhaupt die Mühe, eine Palisade zu errichten?«
»Das ist ein Teil der Täuschung. Die Feinde werden keinen Frontalangriff unternehmen, solange unsere Mauern noch intakt sind. Der Erdwall vermittelt ihnen den Eindruck, dass wir es mit der Verteidigung der Burg ernst meinen. Sobald sie dort durchbrechen, werden sie natürlich direkt angreifen. Falls sie aber warten, bis sie das Tor oder eine Mauer zerstört haben, müssen wir sie aufhalten, bis ihre gesamte Truppe nachgerückt ist«, erklärte ich eindringlich.
»Warum?«, fragte sie.
»Ich habe die Absicht, unsere Trumpfkarte erst dann auszuspielen, wenn sie alle ihre Krieger nach vorn geworfen haben. Wir müssen warten, bis der größte Teil der Angreifer direkt vor den Mauern steht, sonst verschenken wir unseren einzigen Vorteil. Wenn sie die Außenmauer schon vorher zerstören, müssen wir die Stellung halten, bis sie alle Männer in den Kampf schicken.«
»Du solltest mir den Beutel jetzt schon geben«, schlug sie vor.
»Ich hätte gern noch die Gelegenheit, ihnen ins Gesicht zu spucken und sie selbst in die Hölle zu schicken. Wenn ich schon sterben muss, dann mit einem großen Knall.« Ich lächelte böse. »Du kannst sie mir ja dann aus den kalten, toten Händen nehmen, falls ich sie bis dahin nicht selbst eingesetzt habe.«
»Ich wünschte wirklich, du würdest nicht so sprechen«, beklagte sie sich.
Mir dagegen war so leicht ums Herz wie seit Monaten nicht mehr. Trotz der Leere hatte ich das Gefühl, mir sei eine große Last von den Schultern genommen worden. »Worüber soll ich denn sonst scherzen, wenn nicht über meinen bevorstehenden Tod? Wäre es dir lieber, ich liefe wie ein Trauerkloß herum?«
Sie lachte ein wenig, bis die Tränen wieder strömten und sie mich umarmte. Ich bekam Schuldgefühle. Es war tatsächlich einfacher, derjenige zu sein, der sterben musste. Meine Reise war fast vorbei, aber sie hatte noch einen langen, einsamen Weg vor sich … ohne mich. Zum ersten Mal, seit Marc mich auf die Idee gebracht hatte, sie in Bezug auf ihren Zustand anzulügen, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich hoffte, sie konnte es mir eines Tages verzeihen, wenn die Wahrheit ans Licht kam.
Die Bombardierung begann, sobald die Sonne
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