Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
über den Horizont gestiegen war. Da ich jetzt von der Bindung befreit war, spürte ich wieder zahlreiche Dinge, die weiter entfernt waren. Als sie die ersten Steine auf uns schleuderten, erfasste ich die Geschosse lange bevor sie uns erreichten. Einer Laune folgend sprach ich ein Wort und machte eine Handbewegung, um einen der großen Brocken aus dem Himmel zu wischen, ehe er bei uns einschlug. Ich staunte, wie klar meine Sinne waren. Nachdem ich monatelang halb blind gewesen war, fiel es mir leichter denn je, meine Kräfte einzusetzen.
»Hast du das gesehen?« Marc knuffte mich in die Seite. »Einer der Steine ist gerade zur Seite weggeflogen. Warst du das?«
Ich lächelte. »Mal sehen, wie es ihnen gefällt, wenn ich jetzt die Samthandschuhe ausziehe«, erwiderte ich etwas selbstgefällig.
»Deine Augen sind wieder blau. Bedeutet es das, was ich glaube?«, fragte er.
»Deine Idee hat wundervoll funktioniert. Ganz egal, was sonst geschieht, dafür bin ich dir in jedem Fall dankbar«, sagte ich.
»Das dachte ich mir schon«, antwortete er. »Hat sie dir mitgeteilt, was ich ihr gesagt habe?«
»Ja, und ich bin dir dankbar. Es muss dir schwergefallen sein, es auszusprechen.«
Er runzelte die Stirn. »Es hat mich gar nichts gekostet. Herzlichen Glückwunsch jedenfalls.«
Es kam mir seltsam vor, dass er mich am Tag meines Todes beglückwünschte, aber ich tat es als einen seiner erstaunlichen Scherze ab. »Versprich mir nur, dass du dich um sie kümmern wirst, damit es ihr gut geht, wenn ich fort bin.«
Er machte eine ernste Miene. »Darum musst du nicht erst bitten, Mort. Dorian und ich werden alles für sie tun, was wir können. Das weißt du doch.«
Wieder kamen Steine geflogen, prallten gegen die Palisade und hüpften dahinter über den Boden. Bisher war zwar keiner unserer Männer getroffen wurden, aber unser Glück würde gewiss nicht ewig halten. Die feindlichen Truppen rückten jetzt vor und hatten sich schon bis auf zweihundert Schritt genähert. Hinter ihnen folgten die Onager, mit denen sie die Palisade leichter treffen konnten. Einige unserer Bogenschützen schossen, obwohl wir ihnen befohlen hatten, mit den Pfeilen sparsam umzugehen. Die meisten Schüsse trafen zu kurz, und wenn nicht, dann verfehlten sie die Ziele.
Ich hob den Stab, lenkte mit einem Wort die Energie hindurch und traf mit einer Feuerlanze einen Onager. Er ging sofort in Flammen auf. Nacheinander zerstörte ich auch die anderen, bis keiner mehr übrig war. Ich spielte mit dem Gedanken, die Männer auf dem Schlachtfeld auf die gleiche Weise anzugreifen, hielt mich jedoch zurück, weil es mich erschöpft haben würde, ehe ich ihre Zahl merklich vermindert hätte. Ich dachte an den letzten Beutel an meinem Gürtel, von dem ich Penny noch nichts erzählt hatte, verwarf die Idee aber sofort wieder. So weit waren wir noch nicht.
Sobald die Onager zerstört waren, zogen sich die Feinde bis auf vierhundert Schritt zurück. Auch auf diese Entfernung konnte ich sie noch erreichen, es schien mir jedoch ratsam, ihnen dies noch nicht zu offenbaren. Dann warteten beide Seiten erst einmal ab. Ich hatte gehofft, sie könnten sich zu einem voreiligen Sturm auf unsere Stellung entschließen, doch sie schienen damit zufrieden zu sein, einfach abzuwarten, während die Blide ihre Arbeit tat. In der Zwischenzeit geschah nichts weiter als ein gelegentlicher Schuss aus einer Balliste. Jene, die sie bedienten, waren unangenehm treffsicher. Sobald sie die Entfernung richtig eingeschätzt hatten, suchten sie sich die Ziele sorgfältig aus. Aus fünfhundert Schritt Entfernung verfehlten sie ebenso oft, wie sie trafen, aber wenn sie eben doch trafen, dann war das Ergebnis grauenhaft. Mehrere unserer Männer wurden gepfählt, ehe die anderen überhaupt begriffen, dass sie sich nicht blicken lassen durften.
So entstand ein tödliches Patt, das alle paar Minuten von dem Dröhnen der Blide unterbrochen wurde. Jedes Mal, wenn sie sie drüben auslösten, flog ein mehrere Hundert Pfund schwerer Felsblock in unsere Richtung. Die ersten Schüsse lagen zu kurz, doch sie stellten die Maschine systematisch nach, bis die Steine die Außenmauer trafen.
Dorian fand mich, als ich die gleichmäßige Zerstörung der Mauer vom Boden aus und innerhalb unserer Palisade beobachtete. »Kannst du denn nichts gegen diese verdammte Maschine tun?«, fragte er.
»Sie ist zu weit entfernt«, antwortete ich ruhig. »Ich könnte die Steine ablenken, aber das würde gar nicht meinem
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