Der Bund: Dunkle Götter 2 (German Edition)
sondern wartete, bis sie von selbst zu sprechen begann. Nach einer ganzen Weile drehte sie sich wieder um. »Ja«, antwortete sie nur. Ihre Augen waren feucht.
»Woher weißt du das?«
»Seit wir heute Morgen hierheraus gekommen sind, habe ich das Gefühl, diese ganze Szene schon einmal gesehen zu haben.« Sie deutete auf das feindliche Lager. »Es sieht fast genauso aus wie in meiner Vision. Es kann … es sind … höchstens noch ein paar Stunden, bis …« Ihre Stimme brach, sie konnte nichts mehr sagen. Sanft zog ich sie an mich. Sie bebte, als ich sie hielt, schmiegte sich an meine Schulter und weinte leise.
Bei alledem blieb ich seltsam ruhig. Die Ereignisse der vergangenen Wochen hatten ein wildes Durcheinander von Gefühlen ausgelöst, aber jetzt fühlte ich mich wie betäubt. Mir blieb nichts mehr zu tun, als das zu Ende zu bringen, was ich begonnen hatte. Schließlich hörte sie zu weinen auf, und ich hielt sie auf Armeslänge vor mir fest und blickte ihr ernst in die Augen. »Wenn es heute geschehen soll, dann muss ich dir mehrere Dinge sagen. Es gibt Verschiedenes, was du für mich vollenden sollst«, begann ich langsam.
Sie kniff die Augen zusammen. »Du hast schon wieder Geheimnisse.«
»Nur ein paar … nichts Schlimmes, aber du musst meine Rolle übernehmen, sollte ich sterben, bevor der richtige Augenblick gekommen ist.«
»Worum geht es denn?«, fragte sie.
»Jetzt noch nicht. Erst müssen wir noch etwas anderes erledigen.«
»Wir müssen das noch nicht tun«, protestierte sie. »Es sind immer noch ein paar Stunden Zeit.«
»Doch, wir müssen es sogar sofort tun. Ich weiß nicht, was von jetzt an geschehen wird. Vielleicht haben wir später, wenn das Chaos herrscht, keine Gelegenheit mehr. Wir tun es jetzt gleich, und dann sage ich dir, was du wissen musst«, erklärte ich fest.
»Du hütest deine Geheimnisse wie einen Tauschgegenstand für einen Handel«, sagte sie scharf.
Das traf zwar zu, und es hätte keinen Grund gegeben, sie nicht in meine letzten Pläne einzuweihen, es sei denn, ich wollte sicherstellen, dass sie am Ende auch tatsächlich mitwirkte. »Nicht absichtlich«, log ich, »aber da der Zeitpunkt jetzt gekommen ist, bin ich froh, dass ich es getan habe.«
»Manchmal bist du ein richtiger Dreckskerl«, antwortete sie liebenswürdig. »Na gut, wie gehen wir jetzt vor?«
Als Cyhan sie eingewiesen hatte, hatte ich auf einen ganz bestimmten Teil der Bindungszeremonie besonders genau geachtet. »Zuerst nimmst du dein Schwert. Wir halten es zwischen uns. Dann bittest du mich einfach förmlich und ernst, dich freizugeben. Du musst es aber ganz ernst meinen. Ich antworte ebenso förmlich, und dann lassen wir einander los … hier drinnen.« Ich deutete auf meine Brust. Als ich auf mein Herz zeigte, schossen ihr die Tränen in die Augen.
»Einverstanden.« Mit hängendem Kopf zog sie das Schwert und hielt es quer vor mir auf den Handflächen. Als ich meine Hände auf ihre gelegt hatte, sagte sie: »Ich, Penelope Illeniel, breche nun meinen Eid und bitte dich, mich aus dieser gemeinsamen Bindung zu entlassen.« Ihre Haare waren vorn herabgefallen, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Allerdings entstanden auf dem Stein zwischen ihren Füßen kleine feuchte Flecken.
Ich holte tief Luft und antwortete ihr. »Ich, Mordecai Ardeth’Illeniel, entlasse dich aus unserer Bindung.« Ich legte meine Kraft hinter die Worte und spürte innerlich, wie sich unsere Geister trennten. Ein Teil von mir, der mir gar nicht bewusst gewesen war, hatte zu ihr gehört und verließ mich nun. Mir blieb das Gefühl einer furchtbaren inneren Leere, und zum ersten Mal seit Monaten war ich wieder ganz ich selbst und vollkommen allein. Das Schwert, das wir hielten, glühte einen Moment heller, und dann zerbarst es wie sprödes Glas.
Wir blieben noch eine Minute schweigend stehen, keiner von uns wagte zu sprechen. Beide wussten wir, dass die Distanz zwischen uns erheblich größer geworden war als die paar Handbreit, die uns körperlich trennten. Schließlich brach ich das Schweigen. »Wie fühlst du dich?«, fragte ich.
»Viel schwächer«, erklärte sie wehmütig. »Ich hatte vergessen, wie es ist, ganz … normal zu sein. Und du?«
»Ich fühle mich leer. Wie ein Mann, der in einem Haus lebt, das für ihn allein zu groß geworden ist«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Sie sah mich ernst an, suchte meinen Blick. Trotz der gerade vollzogenen Trennung erkannte ich immer noch ihre
Weitere Kostenlose Bücher