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Der bunte Hund von Schreckenstein

Der bunte Hund von Schreckenstein

Titel: Der bunte Hund von Schreckenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Schon bald nach der Abzweigung zum Schloß umfing ihn Kultur aus einem anderen Jahrhundert: Klavier, irgendeine Flöte und Streicher. Kaputt, doch mit klarem Kopf, sank er vom Rad, stellte es in den Schuppen neben dem Wirtschaftsgebäude und mußte grinsen.
    Da ist das Spätzchen bestimmt an seinem Plätzchen!
    Über die knarzenden Stufen eilte er die Treppe hinauf. Hinter dem Glasverschluß im Korridor der ersten Etage verhielt er einen Augenblick und lauschte.
    Richtig! Die Musik kam aus dem Eßsaal. Das Stück klang nicht nach baldigem Ende, denn soeben setzte eine Gesangsstimme ein — vermutlich Sonja Waldmann. Weiter! Über den Südkorridor eilte er direkt zum Blümchenparadies. Ein Druck auf die Türklinke, ein Blick durch den Spalt: Da lag Spätzchen auf seinem Plätzchen. Er bellte nicht, sondern wedelte mit dem Schwanz.
    „So, Bonzo, komm schön. Wir fahren heim!“
    Mit der einen Hand den Rucksack offen haltend, griff Andi mit der andern unter den Hundebauch. Rückwärts schob er die Wollwurst hinein, band eine lockere Schleife um den Hals, wuchtete die Zehn-Kilo-Last auf den Rücken, die Tür zum Paradies schloß er jedoch nicht, er lehnte sie nur an.
    Mann!
    Obwohl die kulturellen Bemühungen im Eßsaal andauerten, gönnte sich Andi keine Pause. Bonzo genoß die Abwechslung offensichtlich, vor allem die Tatsache, nicht selber gehen zu müssen. Er leckte Andis Ohr, gab aber keinen Laut von sich. Die Tür des Glasverschlusses fiel hinter ihnen ins Schloß.
    Jetzt kann eigentlich nichts mehr passieren! — dachte Andi und eilte mit Zweistufenschritten hinunter, daß die alten Bohlen nur so krachten. Schon hatte er den Griff der Portaltür in der Hand, da dröhnte draußen ein Motor.
    Der Ritter reagierte besonnen. Seine genaue Ortskenntnis ließ es ihm ratsam erscheinen, sich nicht in dem Winkel unter der Treppe zu verstecken. Denn sollte die Person, die da vorgefahren war, nicht nach oben, sondern in den unteren Korridor gehen, könnte sie ihn entdecken, oder der neugierige Bonzo könnte bellen, was er gern tat, wenn sich jemand in der Nähe bewegte.
    Also: Flucht nach vorn — in den Korridor. Es eilte. Hinter ihm klickte bereits das Schloß der Portaltür.
    Jetzt ja in kein Zimmer! — dachte Andi. Womöglich sucht die Person, wer immer sie sein mag, gerade dort etwas. Geradeaus lief er weiter und verschwand in die öffentliche Telefonzelle. Sie würde jetzt wohl nicht mehr gebraucht werden. Unter den gegebenen Umständen fand er seine Wahl richtig — bis er die Tür geschlossen hatte.
    Die Zelle war absolut schalldicht. Wer sich versteckt, muß aber hören, und Andi hörte nichts. Abgeschnitten von den Geräuschen seiner Umgebung, kauerte er am Boden. Die Zelle war in der oberen Hälfte verglast, und durch das Fenster am Ende des Korridors fiel infolge der Sommerzeit sowie der Lage nach Westen noch genug Licht herein, um einen in der Zelle auftauchenden Kopf im Gegenschein sofort erkennbar zu machen.
    Tripolis! — dachte Andi. Sollte die Person, von der er nicht gehört hatte, wohin sie gegangen war, in irgendeinem Raum des unteren Korridors etwas suchen, würde sie um diese Zeit wohl nicht lange bleiben. Hier war die Verwaltung.
    Kniend nahm Andi den Rucksack ab und streichelte den Hundekopf.
    „Brav, Bonzo, brav! Jetzt müssen wir schön still sein. Bald geht’s weiter!“ flüsterte er der Wollwurst zu.

    Bonzo verstand zwar nicht jedes Wort, wohl aber die Schwingung. Weil Andi innerlich ruhig war, bellte er nicht. Aufrecht saß er im Rucksack und fühlte sich geborgen.
    Ohne sich aufzurichten, streckte Andi Minuten später den Kopf heraus. Endlich Luft! Nichts war zu hören im unteren Korridor, um so mehr aber von oben. Stimmen hallten durch den Bau, die große Treppe knarzte, das Konzert schien beendet zu sein. Gäste oder Mädchen drängten durch das Portal ins Freie. Totalblockade!
    Andi tätschelte den Hund im Sack. „Ja, mein Lieber. Jetzt müssen wir hierbleiben, bis die ins Bett gehen, und können nur hoffen, daß niemand telefonieren will.“
    Um ganz sicher zu gehen, verließ er die Zelle und kauerte sich in die Ecke dahinter. Hier konnte er freier atmen und vor allem hören. Durch das Korridorfenster drang nur noch dämmriges Licht herein.
    Seine Vorsicht wurde belohnt. Ohne daß er Schritte gehört hätte, wurde die Tür der Telefonzelle geöffnet. Der Hörer klickte, Münzen klapperten, dann eine Stimme:
    „Hallo, Mami! Ich bin’s, Amanda. — Mir geht’s prima. Gerade war

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