Der Canyon
Schatzsucher ermordet.« Tom erzählte ihm von dem Mann, den er gefunden hatte, von dem Notizbuch und dem Verschwinden der Leiche.
Ford schwieg eine Weile und blickte auf den Fluss hinab. Dann wandte er Tom den Kopf zu und fragte: »Und … was hat das mit mir zu tun?«
Tom zog das Notizbuch aus der Tasche.
»Sie haben es nicht der Polizei gegeben?«
»Ich habe es dem Toten versprochen.«
»Aber Sie werden der Polizei doch eine Kopie ausgehändigt haben …«
»Nein.«
»Das war unklug.«
»Der Polizist, der für den Fall zuständig ist, erschien mir nicht besonders scharfsinnig. Und ich habe mein Wort gegeben.«
Der Mönch sah ihn unverwandt an. »Was kann ich für Sie tun?«
Tom hielt ihm das Notizbuch hin, doch der Mönch machte keine Anstalten, es zu nehmen.
»Ich habe alles versucht, um den Mann zu identifizieren, damit ich das hier seiner Tochter geben kann. Nichts hat funktioniert. Die Polizei hat keine Ahnung, wer er ist, und meint, es könnte noch Wochen dauern, bis sie den Leichnam finden. Die Lösung dieses Rätsels steckt hier drin – da bin ich ganz sicher. Das Problem ist nur: Alles ist codiert.«
Kurzes Schweigen. Der Mönch sah Tom weiterhin stumm an.
»Ich habe gehört, dass Sie früher als Codebrecher für die CIA gearbeitet haben.«
»Ich war Kryptoanalyst, ja.«
»Also? Würden Sie sich das mal ansehen?«
Ford musterte das Notizbuch, machte aber immer noch keine Anstalten, es in die Hand zu nehmen.
»Werfen Sie doch einmal einen Blick hinein«, sagte Tom und streckte es ihm entgegen.
Ford zögerte und sagte dann: »Nein, danke.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nicht möchte.«
Tom ärgerte sich ein wenig über diese hochmütig klingende Antwort. »Es ist für einen guten Zweck. Die Tochter dieses Mannes weiß vermutlich nicht einmal, dass er tot ist. Vielleicht macht sie sich schreckliche Sorgen um ihn. Ich habe einem Sterbenden ein Versprechen gegeben, und ich werde es einlösen. Außer Ihnen kenne ich niemanden, der mir helfen könnte.«
»Es tut mir leid, Tom, aber ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«
»Ich will nicht.«
»Haben Sie Angst davor, Ärger mit der Polizei zu bekommen?«
Ein schiefes Lächeln erschien auf dem zerfurchten Gesicht. »Keineswegs.«
»Warum wollen Sie dann nicht?«
»Ich bin aus einem bestimmten Grund hier heraufgezogen – um genau solche Dinge hinter mir zu lassen.«
»Ich weiß nicht recht, was Sie meinen.«
»In nicht einmal einem Monat werde ich mein Gelübde ablegen. Ein Mönch zu sein – dazu gehört mehr als eine Kutte. Es geht darum, ein neues Leben anzufangen. Das da« – er deutete auf das Buch – »würde mich in mein altes Leben zurückwerfen.«
»Ihr altes Leben –?«
Wyman starrte über den Fluss hinweg ins Leere, seine buschigen Brauen runzelten sich, und in seinem länglichen Gesicht arbeitete es. »Mein altes Leben.«
»Das waren wohl schlimme Zeiten, wenn Sie ins Kloster fliehen mussten.«
Ford runzelte die Stirn. »Ein spirituelles Leben im Kloster hat nichts mit Davonlaufen zu tun, sondern mit dem Weg zu etwas hin – dem Leben in Gott. Aber ja, es war schlimm.«
»Was ist passiert? Wenn es Ihnen nichts ausmacht, darüber zu sprechen.«
»Doch, es macht mir etwas aus. Ich glaube, ich bin die aufdringliche Neugier nicht mehr gewöhnt, die in der Welt da draußen als normale Unterhaltung gilt.«
Diese Rüge traf Tom. »Entschuldigung. Natürlich geht mich das nichts an.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie tun nur das, was Sie für richtig halten. Und ich glaube, es ist auch richtig. Nur bin ich nicht der Richtige, um Ihnen zu helfen.«
Tom nickte, die beiden erhoben sich, und der Mönch klopfte sich den Staub von der Kutte. »Was das Buch angeht, ich glaube nicht, dass Sie mit diesem Code allzu große Schwierigkeiten haben werden. Die meisten selbst gebastelten Codes sind von der Sorte, die wir Idiotenchiffre nennen – von einem Idioten ausgedacht, von jedem Idioten zu entziffern. Buchstaben durch Zahlen ersetzt. Sie brauchen dafür nichts weiter als eine Häufigkeitstabelle unserer Sprache.«
»Was ist das?«
»Eine Liste, in der die Buchstaben einer Sprache nach der Häufigkeit ihres Vorkommens sortiert werden. Die vergleichen Sie dann mit den am häufigsten vorkommenden Zahlen in Ihrem Code.«
»Das hört sich ganz einfach an.«
»Ist es auch. Das schaffen Sie mit links, möchte ich wetten.«
»Danke.«
Ford zögerte. »Lassen Sie mich rasch einen
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