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Der Canyon

Der Canyon

Titel: Der Canyon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas - Preston
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Erhebung oberhalb der Flutlinie verteilten, genau da, wo der Rio Gallina in den Rio Chama mündete. Dies war angeblich eines der abgelegensten christlichen Klöster auf der ganzen Welt.
    Tom stellte seinen Pick-up auf dem staubigen Parkplatz ab und ging den Pfad zu dem kleinen Laden des Klosters hinauf.
    Er war unsicher und wusste nicht recht, wie er es anstellen sollte, den Mönch um Hilfe zu bitten. Aus Richtung der Kirche trieb leiser Gesang zu ihm herüber, der sich mit den streitlustigen Rufen einer Schar Piñon-Häher vermischte.
    Der Laden war leer, doch ein Glöckchen hatte beim Öffnen der Tür gebimmelt, und nun kam ein junger Mann aus einem Hinterzimmer herein.
    »Hallo«, sagte Tom.
    »Willkommen.« Der Mönch setzte sich auf einen hohen hölzernen Hocker hinter der Theke. Tom blieb unentschlossen stehen und betrachtete die bescheidenen Produkte, die das Kloster herstellte: Honig, Trockensträuße, von Hand bedruckte Karten, Holzschnitzereien. »Ich bin Tom Broadbent«, sagte er und streckte die Hand aus.
    Der Mönch ergriff sie. Er war klein und schmächtig und trug eine dicke Brille. »Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
    Tom räusperte sich. Das war wirklich verdammt peinlich. »Ich bin Tierarzt und habe letztes Jahr hier oben ein krankes Schaf behandelt.«
    Der Mönch nickte.
    »Damals habe ich von einem Mönch gehört, der früher bei der CIA war.«
    Wieder nickte der Mönch.
    »Wissen Sie, von wem ich spreche?«
    »Bruder Ford.«
    »Ja. Wenn es möglich ist, würde ich gern mit ihm sprechen.«
    Der Mönch sah auf seine Armbanduhr, eine große Sportuhr mit vielen Knöpfen und Anzeigen, die am Handgelenk eines Mönchs irgendwie deplatziert wirkte – Tom wusste auch nicht recht, warum. Natürlich mussten auch Mönche die Uhrzeit wissen.
    »Die Sext ist gerade vorbei. Ich hole ihn.«
    Der Mönch verschwand den Pfad entlang. Fünf Minuten später sah Tom zu seinem Erstaunen eine riesenhafte Gestalt den Pfad herabkommen; die gewaltigen Füße steckten in staubigen Sandalen, der Mann trug einen langen Holzstab in der Hand, und seine braune Kutte flatterte hinter ihm im Wind. Gleich darauf wurde die Tür aufgestoßen, und der Hüne betrat mit zerzauster Kutte den Laden. Ohne zu zögern ging er auf Tom zu, streckte die Pranke aus und schüttelte ihm überraschend sanft, aber dennoch fest die Hand.
    »Bruder Wyman Ford«, sagte er mit einer rauen Stimme, die so gar nicht wie die eines Mönchs klang.
    »Tom Broadbent.«
    Bruder Ford war ein auffallend hässlicher Mann mit einem großen Kopf und einem zerfurchten Gesicht, wie eine Kreuzung zwischen Abraham Lincoln und Herman Munster. Der Mann machte keinen besonders frommen Eindruck, zumindest oberflächlich betrachtet, und mit seinem kräftigen Körperbau, der Größe von über einem Meter neunzig, einem Bart und dem zerzausten schwarzen Haar, das ihm bis über die Ohren wucherte, sah er ganz gewiss nicht aus, wie man sich einen Mönch vorstellte.
    Ein Schweigen entstand, und Tom war erneut unbehaglich zumute. »Hätten Sie einen Moment Zeit, sich mit mir zu unterhalten?«
    »Streng genommen stehen wir hier im Kloster unter einem Schweigegelübde«, erwiderte der Mönch. »Wollen wir ein Stück spazieren gehen?«
    »Gern.«
    Der Mönch schlug in forschem Tempo einen Weg ein, der sich vom Laden aus zum Fluss hinunterwand; Tom musste sich anstrengen, um Schritt zu halten. Es war ein herrlicher Junitag, die orangeroten Klippen der Schlucht bildeten vor dem blauen Himmel einen farbenprächtigen Kontrast, während über ihnen dicke weiße Wolken wie große Schiffe am Himmel vorüberzogen. Sie marschierten zehn Minuten lang schweigend. Der Pfad stieg wieder an und endete auf einem Felsvorsprung. Bruder Wyman warf den Rock seiner Kutte zurück und setzte sich auf den Stamm eines gefällten Wacholderbaums.
    Tom nahm neben dem Mönch Platz und betrachtete in hingerissenem Schweigen die Aussicht.
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht bei etwas Wichtigem unterbrochen«, sagte er schließlich, immer noch unsicher, wo er anfangen sollte.
    »Ich verpasse gerade eine furchtbar wichtige Versammlung im Disputationszimmer. Einer der Brüder hat beim Nachtgebet geflucht.« Er kicherte heiser.
    »Bruder Ford –«
    »Bitte nennen Sie mich Wyman.«
    »Ich weiß nicht, ob Sie von dem Mord vorgestern im Labyrinth erfahren haben.«
    »Ich lese schon lange keine Zeitungen mehr.«
    »Sie wissen, wo das Labyrinth liegt?«
    »Ich kenne es gut.«
    »Vorgestern Abend wurde dort oben ein

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