Der Cartoonist
»Beschütze sie .«
»Scott
Als er sich an
ihr vorbeidrängte, blieb seine Flugtasche an der Türklinke hängen und löste
sich aus seinem Griff. Kleidung fiel heraus, eine
Zahnbürste und der Umschlag mit den Weihnachtsbildern. Die Fotos rutschten
heraus und verteilten sich fächerförmig wie das Blatt eines Kartenspielers auf
dem Fußboden.
Scott hob die
Tasche auf und stopfte die Kleidung wieder hinein, während sich Caroline
verwirrt bückte, um die Fotos einzusammeln.
Als sie wieder
hochsah, war Scott bereits verschwunden.
Am schwersten
war es für Caroline, die Bilder von Krista anzusehen, aber sie ging sie wie
unter einem Zwang durch, wobei ihr Mienenspiel ständig zwischen Schmerz und
Freude wechselte. Unfassbar, dass ihre kleine Schwester tot sein sollte ...
Während Tränen
ihren Blick trübten, stieß Caroline auf die Unterwasser-Aufnahme von der Anlegestelle.
Verwundert betrachtete sie das Foto, wobei ihr plötzlich kalt wurde, und
mischte es dann unter die anderen Bilder ganz unten im Stapel.
Auf dem
nächsten Abzug war überhaupt nichts zu erkennen ... Oder doch?
Ungläubig sah
Caroline zu, wie sich die nicht entwickelte Aufnahme kaum merklich zu verändern
begann. Anfangs dachte sie, ihre Fantasie spiele ihr einen Streich, es sei nur
eine Sinnestäuschung ihres überreizten Hirns.
Aber nein: Das
Ding veränderte sich tatsächlich, entwickelte sich wie ein Polaroidfoto, nur
langsamer. Nach und nach tauchte ein Gesicht oder der Teil eines Gesichtes
auf... und zwei Hände, die nach oben griffen.
Mein Gott , dachte
Caroline ebenso erschrocken wie verwundert, dieser Gesichtsausdruck...
Das Gesicht
auf dem Foto, das sich jetzt herauskristallisierte, als lichte sich nach und
nach eine düstere Rauchwolke, war grässlich verzerrt, wie zu einem Todesschrei.
Und es schien in irgendeiner Masse festzustecken ... Unterhalb des Kinns, rund
um die Ohren und rings um die Stirn war ... Treibsand?
Ja, es war das
Gesicht eines Mannes, der in Treibsand versank.
Aber es war
nicht irgendein Gesicht. Scott? Die Nerven in Carolines Fingern
versagten, das Bild wirbelte auf den Boden. Auch auf dem nächsten Abzug,
ebenfalls leer, lichtete sich der Nebel nach und nach und enthüllte
hasserfüllte rote Augen, Zahnstümpfe und riesige Blutspritzer.
Caroline
schrie auf. Diesmal entglitten ihr alle Fotos und verteilten sich wie die
Bruchstücke eines geplatzten Traums auf dem Fußboden.
32
»Wo ist er ?«
Janet Brown,
die Empfangsdame der Station Two Link, trat unwillkürlich einen Schritt zurück
und dankte bei sich dem
lieben
Herrgott dafür, dass ein Schreibtisch zwischen ihr und dem Mann gegenüber
stand. Sie hatte gerade mit ihrem Freund telefoniert, als Scott hinter ihr
aufgetaucht war und sich daran gemacht hatte, die Kartei mit den
Krankenblättern zu durchwühlen.
»Wo ist wer ?« , fragte Janet zurück. Noch nie hatte sie einen Arzt
in einer derart katastrophalen Verfassung gesehen. Alkoholiker vielleicht oder
auch Unfallopfer, aber niemals einen Arzt. Und mit seinen Augen stimmte was
nicht. Sie waren rot umrändert, glänzten viel zu stark und wanderten dauernd
hin und her, so als fürchte er, das Gebäude könne einstürzen oder irgendein
wildes Tier heranstürmen, um ihn zu verschlingen. Gehetzt - das war das
Wort, nach dem sie gesucht hatte. Der Mann wirkte gehetzt.
Scott pflanzte
die Fäuste auf die Schreibtischplatte und beugte sich zu ihr hinüber. »Der
Alte, der Zeichner. Wo ist er ?«
Janet trat
noch einen Schritt zurück und stolperte zu ihrem Stuhl hinüber. Ihr fiel ein,
dass ihr Freund immer noch am Apparat war und wartete. Während sie rechts und
links den Gang hinunterblickte, verfluchte sie die Tatsache, dass er jetzt
wegen der abendlichen Essenszeit völlig menschenleer war. Sie wandte den Blick
wieder Scott zu.
»Der ist
verlegt worden«, brüllte sie fast. »Vor etwa einer Stunde, in die Psychiatrie.
Kann ich irgendetwas für Sie tun ?«
Aber Scott
hatte sich schon umgedreht und rannte auf die Treppe zu. Die Empfangsdame
wartete, bis er durch die Tür gewitscht war, dann wählte sie die Null und ließ
die Leiterin des Pflegedienstes, die gerade beim Abendessen war, über
Lautsprecher ausrufen.
Bateman, dachte Scott,
als er die Treppe hinunter zum Hauptgang eilte. Er hatte übersehen, welches
Interesse der Chef der Psychiatrie an dem Alten nahm. Selbstverständlich hatte
Mavis MacDonald Bateman angerufen, damit er Scotts völlig unangemessene
Anweisung bestätigte. Und
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