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Der Cartoonist

Der Cartoonist

Titel: Der Cartoonist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Costello
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Studienplätze ergattert hatten.
    Aber es war
Scotts Auto. Und Scott war >der Vernünftige< von ihnen.
    Sie fuhren
weiter. Scott kam die Landstraße mit den Zickzackkurven endlos lang vor. Seit
fast einer Stunde gab es kaum noch Anzeichen von Zivilisation. Seitdem hatte er
nur ein Hinweisschild gesehen, und das war vor lauter Schießpulverspuren
unleserlich gewesen. Er war an einem Punkt angelangt, an dem er einfach nur an
einem ruhigen Plätzchen anhalten und sich ausschlafen wollte.
    Hinten loderte
Jakes Feuerzeug auf. Scott hörte ihn tief inhalieren und kurz darauf ein Husten
unterdrücken. Einen Moment später war im Rückspiegel eine glühende
Zigarettenspitze zu sehen, und kurz darauf hatte Scott den Joint unter der
Nase.
    Scott stieß
ihn weg: »Ich versuch zu fahren .« Prompt verschwand
der Joint wieder hinter ihm. Das Kraut machte Scott nervös. Er wollte das, was
er endlich durch lange und harte Arbeit erreicht hatte, nicht wegen etwas so Pubertärem
wie einem Beutel Haschisch verlieren. Während er den Wagen in die nächste Kurve
lenkte, musste er sich wieder einmal über das paradoxe Phänomen Jake Laking
wundern. Trotz Stimmungsschwankungen war sein Freund in Leistungen und
Auftreten brillanter als jeder andere, den Scott kannte. Aber es konnte auch
passieren, dass sich Jake ohne jede Vorwarnung in die Art Hinterwäldler und
lautstarken Proleten verwandelte, wie man sie nachts in Striplokalen und
tagsüber in den Warteschlangen vor dem Sozialamt antreffen kann.
    Auf dem
Rücksitz stimmte Jake den Refrain eines alten High-School-Liedes an: »Gelb
und blau, gelb und blau. Wir sind die Champions und machen euch zur Sau .«
    Die Straße
wand sich scharf nach links. Während Scott in die Kurve bog, strichen die
Scheinwerfer an einem windschiefen Straßenschild vorbei.
    »Old Burwash
Road«, las Scott laut vor. »Schau mal, ob du das auf der Karte finden kannst .«
    Der fröhliche
Barde auf dem Rücksitz zeigte keine Reaktion. Brian tauchte kurz aus seiner
Benommenheit auf und grunzte irgendetwas. »Schalla-la-Schalla-la.
Bumm-bumm-ba .« Scott blickte in den Rückspiegel.
Er war jetzt echt sauer und drauf und dran, Jake zur Schnecke zu machen. Da
schrie Brian: »Pass auf !« , griff ins Steuer und drehte
es panisch nach rechts.
    Scott sah
gerade noch, wie ein Kätzchen pfeilschnell aus dem hohen Gras am Straßenrand
auf den Asphalt schoss. Der Schwanz war steil nach oben gerichtet, die Augen
funkelten im Scheinwerferlicht in unheimlichem Rot. Der gelbbraune Körper
erstarrte mitten auf der Fahrbahn und wartete auf den tödlichen Zusammen prall.
    Scott schob
Brians Hand zur Seite, drehte das Steuer weiter nach rechts und lenkte die
Vorderräder vorsichtig auf den losen Sand des Seitenstreifens, nur knapp an dem
vor Angst gelähmten Tier vorbei. Der nasse Sand setzte sich an den Rädern fest
und verlangsamte die Fahrt, als halte eine Riesenhand den Wagen zurück.
    Der Kopf der
Kleinen erschien als Erstes, schnellte wie bei einer winzigen Varietekünstlerin
aus dem Grasvorhang hervor. Ihr Körper folgte, und dann stand sie da, nicht
einmal vier Meter entfernt, starr vor Schreck, wie eine Sekunde zuvor die
kleine Katze. Sie trug ein weißes Rüschenkleid, glänzende, weiße Schuhe und
konnte kaum älter als zehn Jahre sein. Ihre Haare wirkten wie gesponnenes
Silber und flatterten anmutig in der leichten Brise. Ihre runden,
angsterfüllten
    Augen
fixierten Scott mit dem Blick sicherer Todeserwartung, einem Blick, in dem das
gleiche rote Feuer flammte wie in den Augen des Kätzchens, als es mitten auf
der Straße erstarrt war. Im Licht der Scheinwerferkegel erschien sie blass, ja
fast transparent, gespenstisch und unwirklich.
    Doch das
Geräusch, das zu hören war, als der vordere Teil des VWs sie erfasste, war nur
allzu real. Es klang so, als prasselte Hagel auf Blech.
    Es klang nach
Tod.
    Es dauerte nur
Sekunden. Doch während dieses katastrophalen Zwischenfalls sollte Scott Bowman
erfahren, wie relativ Zeit sein kann. Es kam ihm so vor, als ob sich endlose
Folter im schlimmsten Fegefeuer in diese wenigen Sekunden presste. Die Zeit
dehnte sich bis in alle Ewigkeit.
    Die Folter
ging weiter und weiter und weiter.
    Die niedrige
Stoßstange des Käfers erwischte die Kleine direkt über den Knien. Wie ein
getroffener Kegel fiel sie um, direkt auf die schräg abfallende Motorhaube. Ihr
Kopf prallte mit einem metallischen »Klonk« auf. Es war ein dumpfer, tödlicher
Laut, der Scott noch aus unzähligen Albträumen

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