Der Cartoonist
holen Sie Hilfe.
Und machen Sie schnell !«
Am anderen
Ende der Leitung folgte ein Schweigen, das Unsicherheit verriet. Gleich darauf
sagte Mavis so, als gebe sie den wahnwitzigen Vorstellungen eines mit Kummer
geschlagenen Mannes nach: »Das mit Ihrer Familie tut mir sehr Leid, Dr. Bowman.
Uns allen hier ...«
»Erledigen Sie
es sofort, Mavis. Bitte!«
Während Scott
wartete, drang das ferne Rauschen so
zischend wie ein
ganzes Meer von Störgeräuschen an sein Ohr - ein Lärm, der irgendwie noch
nervtötender war als das inzwischen verstummte Kratzen.
Caroline
tauchte neben ihm auf und packte ihn am Arm. »Was geht hier vor, Scott? Wen
rufst du an ?«
Er hob den
Arm, um sie zum Schweigen zu bringen. Als Mavis wieder an den Apparat kam,
zuckte er zusammen. »Haben Sie's bekommen ?« , platzte
er heraus, ehe sie sich melden konnte.
»Ja, war
überhaupt kein Problem. Der schläft wie ein Baby .«
»Sagen Sie mir,
was Sie sehen. Was hat er gezeichnet ?«
»Nichts. Da
ist nur ein leeres Blatt...«
»Sehen Sie
darunter nach .«
Er hörte
Papier rascheln. »Verrückt«, sagte Mavis ins Telefon. »Sieht makaber aus, so
als ob irgendeine bizarre Comic-Figur das letzte bisschen Leben aus einem Kind
herauspresst, es erwürgt... Ein Mädchen, glaube ich, das im Bett liegt«
»Du lieber
Gott«, murmelte Scott Ihm brach der kalte Schweiß aus, sein Körper sackte in
sich zusammen. »Wie kann das sein ... Wie ist das nur möglich ?«
Aber er hatte
es gewusst Tief in seinem Inneren hatte er es seit seinem Besuch in dem
verlassenen Haus gewusst - seitdem er das vergilbte, alte Polaroid-Foto gesehen
hatte. Und jene abscheulichen Augen, die wie Einschusslöcher gewirkt hatten.
»Doktor
Bowman? Sind Sie noch dran ?«
Scott presste
den Hörer ans Ohr. »Mavis, bitte nehmen Sie eine Verordnung von Medikamenten
entgegen. Ich werde das abzeichnen, sobald ich heute Abend zurück bin. Ich
möchte, dass Sie ihm alle drei Stunden, ohne jede Unterbrechung, fünfundsiebzig
Milligramm von Chlorpromazin IM verabreichen. Außerdem ...«
»Fünfundsiebzig
Milligramm«, wiederholte Mavis. »Ich will Ihnen ja nicht ins Handwerk pfuschen,
Doktor, aber fünfundsiebzig Milligramm werden den alten Kerl glatt umhauen. Er
schläft doch sowieso schon, um Himmels willen, warum...«
»Tun Sie's
einfach, Mavis. Sie wollen diese Anweisung doch bestimmt nicht übergehen. Das
ist mein voller Ernst. Ich möchte, dass er völlig außer Gefecht gesetzt wird,
das Bewusstsein verliert. Er ist gefährlich, Mavis, er ist...« Scott führte den
Satz nicht zu Ende, er hatte sowieso schon zu viel gesagt »Bitte tun Sie
einfach, was ich Ihnen aufgetragen habe. Es ist wichtig. Wichtiger, als Sie
ahnen .«
»Also gut«,
erwiderte Mavis, der bereits klar war, was sie tun würde. »Und Sie
unterschreiben die Verordnung noch heute Abend ?«
»Darauf können
Sie sich verlassen. Erledigen Sie's sofort, Mavis, bitte !« Er legte auf.
»Bleib hier !« , befahl er Caroline, ohne auf ihre Fragen einzugehen.
Gleich darauf eilte er zurück zur Station.
Als Scott
hastig eintrat, erhob sich der Arzt, der Kath gerade behandelt hatte, von
seinem Platz hinter dem Schreibtisch. Er blickte so finster, dass Scott seine
schlimmsten Befürchtungen bestätigt sah.
»Sie hatte
irgendwelche Probleme mit der Atmung«, erklärte der Arzt und sah Scott aus
seinen kaffeebraunen Augen resigniert, aber ohne auszuweichen, an. Ȁhnliches
hab ich noch nie gesehen. Es war ja kein Fremder im Zimmer, aber als ich sie zu
intubieren versuchte, war es so, als ob jemand von außen auf das Zellgewebe
drücke. Ich konnte das Röhrchen einfach nicht hineinbekommen und musste einen
Luftröhrenschnitt durchfuhren .«
»Heißt das,
dass sie noch am Leben ist ?« Scotts Grinsen grenzte gefährlich
nahe an Wahnsinn.
Zum ersten Mal
wandte der ältere Arzt den Blick ab. »Ja, sie lebt, Dr. Bowman ...« Offenbar
fehlten ihm im Augenblick die Worte. »Allerdings hat ihr Hirn sehr
wahrscheinlich einen Schaden erlitten, wie ich furchte. In diesem frühen
Stadium kann man unmöglich sagen, wie groß dieser Schaden ...«
Immer noch
grinsend, schob sich Scott so rücksichtslos an dem Arzt vorbei, als sei er
irgendein Gegenstand, der ihm im Weg war, und eilte zu Zimmer 2 F.
Doch als er
eintrat, erstarb das Fünkchen Selbstbeherrschung, das während des Telefonats
wieder aufgeflackert war, und hinterließ solche Dunkelheit in ihm, als sei ein
Stern erloschen. Wie oft hatte er als Assistenzarzt eine
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