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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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umhin, zu lauschen, und höre denn dabei Folgendes:
    »Aber das ist ein Wahnsinn! wiederholt Falsten, wie können Sie so unklug sein!– Bah, antwortet Ruby ganz sorglos, es wird ja nichts geschehen!
    – Im Gegentheil, es kann das schlimmste Unheil geschehen! versetzte der Ingenieur.
    – Gut, gut, erwiderte der Kaufmann, es ist nicht das erste Mal, daß ich mit dem Zeuge umgehe.
    – Ein Stoß genügt aber schon, eine Explosion hervorzurufen.
    – Das Gefäß ist sorgfältig verpackt, Mr. Falsten. und ich wiederhole Ihnen, daß Nichts zu fürchten ist.
    – Weshalb haben Sie den Kapitän nicht davon unterrichtet?
    – Ei, weil er mein Colli dann nicht mitgenommen hätte.«
    Der Wind hat sich seit einigen Augenblicken gelegt und trägt mir die Worte nicht mehr zu; offenbar leistet aber der Ingenieur noch immer Widerstand, während Ruby sich begnügt, mit den Achseln zu zucken.
    Jetzt, jetzt dringen auf's Neue einzelne Worte an mein Ohr.
    »Doch, doch, sagte Falsten, der Kapitän muß davon erfahren. Das Colli muß in's Meer geworfen werden; ich verspüre keine Lust, mich in die Luft sprengen zu lassen!«
    In die Luft sprengen! Ich erhebe mich rasch bei diesen Worten. Was will der Ingenieur damit sagen? Worauf spielt er an? Er kennt ja die Situation des Chancellor nicht und weiß nicht, daß eine Feuersbrunst seine Fracht verzehrt!
    Aber ein Wort, – ein »furchtbares« unter denthatsächlichen Verhältnissen, jagt mich auf. Und dieses Wort »Natron-Pikrat« kommt mehrmals vor.
    Im Augenblick bin ich neben den beiden Männern und unwillkürlich fasse ich mit unwiderstehlicher Gewalt Ruby beim Kragen.
    »Es ist Pikrat an Bord?
    – Ja, antwortet Falsten, ein Colli mit etwa dreißig Pfund.
    – Und wo?
    – Im Raum, bei der Schiffsfracht!«

XI.
    Fortsetzung am 21. Oktober.
    – Ich kann es nicht schildern, was bei den Worten des Ingenieurs in mir vorging. Das ist kein Erschrecktsein mehr, es ist eine Art Resignation. Mir scheint sich die Situation dadurch zu klären, der Knoten vielleicht eher zu lösen. Kühl bis an's Herz suche ich Robert Kurtis auf, der sich auf dem Vordercastell befindet.
    Auf die Nachricht hin, daß ein Colli mit dreißig Pfund Pikrat, – d. h. eine hinreichende Menge, um einen Berg in die Luft zu sprengen –, an Bord ist und zwar im Schiffsraume, nahe dem Herde des Feuers selbst, und daß der Chancellor jeden Augenblick in die Luft gehen kann, entsetzt sich Robert Kurtis keineswegs, kaum runzelt sich seine Stirn und erweitert sich sein Auge.
    »Gut, antwortet er mir, nicht ein Wort hiervon. Wo ist dieser Ruby?
    – Auf dem Verdeck.
    – Kommen Sie mit mir, Mr. Kazallon.«
    Wir steigen Beide nach dem Oberdeck hinauf, wo der Kaufmann und der Ingenieur noch im Gespräch waren.
    Robert Kurtis geht geraden Wegs auf sie zu.
    »Sie haben das gethan? fragt er Ruby.
    – Nun ja, das habe ich gethan!« antwortet seelenruhig Ruby, der sich höchstens eines Betrugs schuldig gemacht zu haben glaubt.
    Einen Augenblick erscheint es mir, als wolle Robert Kurtis den unseligen Passagier zermalmen, der die Tragweite seiner Unklugheit gar nicht zu begreifen scheint! Dem zweiten Officier gelingt es aber, sich zu bemeistern, und ich sehe, wie er die Hand auf dem Rücken ballt, um nicht verleitet zu werden, Ruby bei der Gurgel zu nehmen.
    Dann richtet er mit ruhiger Stimme einige Fragen an Ruby. Dieser bestätigt die von mir gemeldete Thatsache. Zwischen seinem Gepäck befindet sich ein Colli, welches dreißig Pfund jener so höchst gefährlichen Substanz enthält. Der Passagier hat hier mit derselben Nachlässigkeit und Unklugheit gehandelt, die, wie man gestehen muß, der anglo-sächsischen Race angeboren ist, und hat jenen explosiven Körper in dem Raume des Fahrzeugs unterbringen lassen, wie ein Franzose etwa eine Flasche Wein. Wenn er den Inhalt dieses Colli falsch declarirt hatte, so kam es daher, daß er die Weigerung des Kapitäns, dasselbe mitzunehmen, vorher vollkommen kannte.
    »Nun, nun, das ist doch kein Grund, einen Menschen zu hängen! Wenn das Ding Ihnen so sehr unangenehm ist, so mögen Sie es meinetwegen in's Meer werfen. Mein Gepäck ist versichert!«
    Bei dieser Antwort kann ich mich nicht mehrzurückhalten, denn mir fehlt Robert Kurtis' kaltes Blut, und der Zorn übermannt mich. Bevor mich der zweite Officier daran hindern kann, stürze ich mich auf Ruby und schreie:
    »Elender, Sie wissen also wohl nicht, daß an Bord Feuer ist!«
    Kaum ist mir das Wort entflohen, so gereut es mich schon. Doch

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