Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
zusammen, und ich erstaune über die Kaltblütigkeit, die Jeder unter diesen Umständen an den Tag legt.
    Alle Möglichkeiten einer Rettung werden erwogen, und Robert Kurtis faßt unsere Lage in folgende Worte zusammen:
    »Die Feuersbrunst kann unmöglich beschränkt werden, und schon ist der Mannschaftsschlafraum am Vordertheil kaum noch zu bewohnen. Der Augenblick muß also, und das vielleicht bald kommen, an dem die Flammen das Verdeck durchbrechen. Wenn vor Eintritt dieser Katastrophe das Meer es erlaubt, werden wir das Schiff auf den Booten verlassen. Ist es uns dagegen unmöglich, den Chancellor zu verlassen, so kämpfen wir gegen das Feuer bis zum letzten Athemzuge. Wer weiß, ob wir seiner nicht leichter Herr werden, wenn es zum Durchbruch gekommen ist. Vielleicht bekämpfen wir den Feind, der sich offen zeigt, erfolgreicher, als den, der sich verbirgt!
    – Das entspricht meiner Ansicht, bemerkte ruhig der Ingenieur.
    – Auch der meinigen, setzte ich hinzu. Doch, Mr. Kurtis, ziehen Sie gar nicht in Betracht, daß dreißig Pfund jener furchtbaren explosiven Substanz sich im Kielraum befinden?
    – Nein, Mr. Kazallon, antwortet Robert Kurtis, mit einem Uebermaße von kaltem Blute, das ist nur ein Detail, welches mich nicht besonders kümmert.Warum sollte es auch? Kann ich das gefahrdrohende Colli mitten aus dem brennenden Cargo heraussuchen? Und das aus einem Raume, dem wir jeden Luftzutritt verwehren müssen? Nein, daran denke ich gar nicht! Noch bevor ich ausspreche, kann das Pikrat seine entsetzliche Wirkung äußern, das ist wohl wahr. Indeß entweder erreicht das Feuer jenes oder nicht! Der erschwerende Umstand, den Sie anführen, ist für mich nicht weiter vorhanden. Es liegt in der Hand Gottes und nicht in der meinigen, uns diese schreckliche Katastrophe zu ersparen!«
    Robert Kurtis hat diese Worte in ernstem Tone gesprochen, und wir senken die Köpfe, ohne darauf zu antworten. Da der Zustand des Meeres eine Benutzung der Boote ganz unmöglich macht, so dürfen wir an jenen besonderen Umstand nicht weiter denken.
    »Die Explosion ist ja nicht unbedingt nothwendig, hätte wohl ein Formalist gesagt, sie ist nur eine zufällige!«
    Eine ähnliche Bemerkung äußerte der Ingenieur auch wirklich.
    »Auf eine Frage möchte ich Sie noch um eine Antwort bitten, Mr. Falsten, sagte ich. Kann das Natron-Pikrat sich auch ohne Stoß entzünden?
    – Gewiß, entgegnete der Ingenieur. Unter gewöhnlichen Verhältnissen ist das Pikrat nicht mehr entzündlich, als das Pulver, aber ebenso wie dieses.«
    Falsten hatte das Wort »ergo« gebraucht. Sollte man nicht glauben, er docire in einem Cursus der Chemie?
    Wir sind nach dem Verdeck zurückgegangen. Robert Kurtis ergreift meine Hand.
    »Mr. Kazallon, sagt er, ohne einen Versuch seineErregung zu verbergen, diesen Chancellor, dieses schöne Schiff, das ich so sehr liebe, durch Feuer zerstören zu sehen, ohne etwas dagegen thun zu können ...
    – Mr. Kurtis, Ihre Erregung ...
    – Ich könnte sie nicht bezwingen! Sie allein sind Zeuge dessen, wie viel ich leide. – Doch, es ist vorüber, fügte er hinzu, – aber ich sah den Kampf, den er bestand.
    – Ist die Situation ganz verzweifelt? fragte ich darauf.
    – Nun, unsere Lage ist folgende, antwortete wieder ruhig Robert Kurtis. Wir befinden uns über einer Mine, deren Lunte schon entzündet ist. Jetzt ist nur die Frage die, wie lang diese Lunte wohl ist.«
    Dann zieht er sich zurück.
    Jedenfalls ist es der Mannschaft und den übrigen Passagieren noch unbekannt, wie ungeheuer ernst unsere Lage ist.
    Seit er von der Feuersbrunst gehört hat, beschäftigt sich Mr. Kear damit, seine werthvollsten Objecte zusammen zu raffen und denkt an seine Frau natürlich gar nicht. Nachdem er gegen den zweiten Officier halb befehlend den Wunsch geäußert hat, das Feuer zu löschen, und ihn für alle Folgen desselben verantwortlich gemacht, zieht er sich in seine Cabine im Hintertheil zurück und kommt nicht wieder zum Vorschein. Mrs. Kear seufzt und stöhnt und findet trotz ihrer sonstigen Lächerlichkeiten doch allgemeines Mitleid. Miß Herby glaubt sich unter diesen Umständen von den Pflichten gegen ihre Herrin nur um so weniger entbunden, und widmet Jener die erdenklichste Sorgfalt. Ich muß das Benehmendieses jungen Mädchens bewundern, der ihre Pflicht über Alles geht.
    Am nächsten Tage, dem 23. October, läßt der Kapitän den zweiten Officier nach seiner Cabine rufen. Zwischen Ihnen entspinnt sich folgendes Gespräch,

Weitere Kostenlose Bücher