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Der Chefarzt

Titel: Der Chefarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Argirov Valentin
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es?«
    »Ich kann mir den Namen nicht merken«, sagt Schwester Ernestine. Sie blättert in den Unterlagen und beschwert sich: »Die Ausländer haben die unmöglichsten Namen.«
    »Antonio Dellonga! Was für ein hübscher Name«, widerspricht Schwester Leopoldine, »seine Mutter hat ihn sicherlich Tonio gerufen.«
    »Schon möglich. Für mich sind ausländische Namen eine Plage.«
    »Wenn man nur dahinterkäme, was er hat!« Schwester Stein dreht immer noch die Wählscheibe. »Mir behagt es nicht. Hätten sie bloß Professor Bertram zugezogen!«
    »Gar so große Erfahrung in der Intensivmedizin hat er nicht. An Professor Holländer kommt er jedenfalls nicht heran!« Die Geringschätzung in Schwester Ernestines Stimme ist unüberhörbar. Schadenfroh fügt sie hinzu: »Dafür lassen ihm seine vielen Verpflichtungen nicht die Zeit. Und seine anspruchsvolle Frau.«
    Schwester Ernestine ist eine erbitterte Gegnerin von Bertram. Sie gehört zur Anhängerschaft von Professor Holländer, dem die Intensivstation untersteht, und ist seine glühende Verehrerin.
    »Mag schon sein. Warum weiß man immer noch nicht, was er hat?«
    »Ich persönlich halte Professor Holländer für einen weitaus besseren Kardiologen. Er hat unzählige Bücher über Herzerkrankungen geschrieben. Und wie steht's mit Ihrem Bertram?«
    »Es ist nicht meiner«, wehrt Leopoldine ab. Jetzt sagt sie ins Telefon: »Nr. 8 hat wieder einen Herzanfall … gerade eben.«
    Sie legt auf. »Mir ist es völlig gleich, wer darauf kommt. Er braucht Hilfe.« Sie sieht auf Antonios bebende Nasenflügel. »Allmächtiger, der Mann ist kaum vierundzwanzig.«
    »Es ist wie verhext«, sagt Schwester Ernestine, sie hat sich in das Giftjournal vertieft, »ein Verschleiß an Schmerzmitteln hier. Ausgerechnet seit Sie auf der Station sind.«
    »Mir ist nichts bekannt.« Leopoldines Stimme klingt vorsichtig. »Was meinen Sie damit: Seit ich hier bin?«
    »Es ist nicht persönlich gemeint. Die zeitliche Übereinstimmung. Ich habe nachgezählt. Laut Eintragungen müßten wir einen Vorrat von achtunddreißig Ampullen haben, im Giftschrank sind nur noch vier. Was sagen Sie jetzt?«
    »Man soll aufpassen. Man soll jede verbrauchte Ampulle gleich eintragen, sonst vergißt man's.«
    »Ich nicht!« Schwester Ernestines Gesicht hat einen schwer zu deutenden Ausdruck.
    »Wo liegt Nr. 8?« fragt die Stimme der diensthabenden Internistin, die einen Augenblick an der Türschwelle stehenbleibt. Sie ist außer Atem. Dann hört sie das Alarmsummen des Monitors, sieht beunruhigt zu den beiden Schwestern und fragt erschrocken: »Was hat er?« Einen Augenblick starren sie alle drei wie gebannt auf den Bildschirm, auf die bizarren Figuren der flimmernden Herzkurve, die mit einer Papiergeschwindigkeit von 50 mm pro Sekunde Antonios Todeskampf registriert.
    Am sechsten Tag nach seiner Aufnahme verlangte der Patient Nr. 8 der internen Intensivstation, Antonio Dellonga, nach einem Priester.
    Sein Zustand hatte sich gebessert.
    Schwester Leopoldine Stein leitete seinen Wunsch an die Fürsorgeschwester weiter, die Verbindung mit dem Kapuzinerpater Hildebrand aufnahm. Bald nach dem Anruf eilte Pater Hildebrand mit wehender Kutte durch das Universitätsgelände an der Kinderklinik vorbei und winkte den Kindern zu. Etwas außer Atem betrat er die Intensivstation, sein geflochtener Kapuzinergürtel war verrutscht und schleifte auf dem Boden.
    Er räusperte sich, nahm Platz auf dem Stuhl, den Schwester Leopoldine Stein ihm anbot, und rückte den Paravent zum benachbarten Bett zurecht. Erst dann richtete er seine blauen Augen auf den jungen Mann im Bett.
    »Ich möchte heiraten, Reverendo«, flüsterte der Kranke. In seiner Schwäche merkte er nicht, daß Pater Hildebrand ein Ordensgeistlicher war, und sagte zu ihm statt Padre Reverendo, wie das Volk die Priester nennt. Pater Hildebrand lächelte verständnisvoll. »Warum nicht, mein Sohn, wenn du wieder gesund bist.«
    »Nein«, sagte der Kranke ungeduldig. Die Angst verdunkelte seine Augen. »Ich habe eine Frau und zwei Kinder – ein Baby wird bald kommen.«
    »Ah«, sagte Pater Hildebrand, »ihr seid nicht kirchlich getraut …« Er wußte über die Ängste dieses Mannes Bescheid: Den nicht kirchlich Getrauten wurde das kirchliche Begräbnis verweigert. Das Ärgernis mit der Kirche war, sie blieb nicht konservativ dort, wo sie es wirklich sein müßte – man denke nur an manche Konzessionen der letzten Jahrzehnte –, sondern sie beharrte auf völlig

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