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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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noch in Betracht zieht, daß ein Witwer den Gastgeber spielt, daß besagter Witwer sich von einem Frauenzimmer bedienen läßt… Ein Witwer ist ein begehrtes Heiratsobjekt… Um Hausmutter zu werden, wird so ein Stubenmädchen allerlei Befehle ausführen, Befehle, die man ihr mundgerecht machen kann; ein Schabernack sei vorgesehen: man wolle einem überklugen Schroter einen Streich spielen, ihm ein Abführmittel eingeben – eine harmlose Sache, aber wie lustig für die andern Gäste…! Und wie blamiert würde dann so ein Schroter dastehen! Hatte der Fahnder erst das aufgelöste Kügelchen geschluckt, wurde er krank, dann war es leicht, ihm unter dem Vorwand einer schnellen Hilfeleistung die Brieftasche zu entwenden und mit ihr die Dokumente… Wem hätte sie der Notar sonst geben können?
    Und während Studers Augen träge blickten, stellte er eine Frage: Ob Herr Hungerlott erlaube, daß der Wachtmeister schnell sein Telephon benütze? Vielleicht sei Münch nun daheim – beim Essen. Er müsse ihm etwas mitteilen… (Dies war eine Ausrede, Studer wollte nur nachsehen, ob die beiden Fahnder das Arbeitszimmer durchsuchten).
    Wenn Studers Augen den trägen Ausdruck eines wiederkäuenden Ochsen hatten, paßte er gewöhnlich scharf auf. Und so entging es ihm nicht, daß Vater Äbi mit Hungerlott einen Blick tauschte… Furcht? Verlegenheit? Nein, Feindseligkeit…! Hatten die beiden sich entzweit? Möglich war es. Wenn Geld im Spiele ist, wird manche Freundschaft lahm.
    Der Hausvater lächelte sauer: – Aber gewiß! Das Telephon stehe gerne zur Verfügung.
    »Komm, Ludwig!« Studer stand auf. Immer mehr bewunderte er die schnelle Auffassungsgabe des Knechtleins. Ludwig wischte sich mit der Serviette ruhig die Lippen ab, legte das Tuch auf den Tisch und folgte seinem Freund.
    Als Studer die Türe von draußen schloß, platzte drinnen wieder ein Gelächter. Schnell hatte sich der Wachtmeister orientiert: Dort war die Türe zum Arbeitszimmer, er öffnete sie… Der Raum war leer!
    Also? Wo waren Murmann und Reinhard geblieben? Was hatte sie abgehalten? Der Wachtmeister versuchte, die Schubladen am Schreibtisch zu öffnen – sie waren alle verschlossen. Er hob die Mappe, die auf dem Schreibtisch lag – sie war leer und enthielt nur ein paar Löschblätter.
    »Schau schnell hinter den Büchern nach, Ludwig!« flüsterte der Wachtmeister und stieß eine Türe auf, die in ein Nebenzimmer führte. Zwei Betten standen darin – schöne Möbel, aus rotem Holz. Das eine stand beim Fenster, das andere an der hinteren Wand. Früher waren sie wohl nebeneinander gestanden. Drei Türen hatte das Zimmer: die eine, durch die Studer eingetreten war, die andere, dieser gegenüber, führte in ein weiteres Zimmer und die dritte endlich ging wohl auf den Gang. Im Zimmer daneben hatte Münch wohl geschlafen – im Arbeitszimmer war Hungerlott mit seinem Schwiegervater gehockt – und der Notar hatte durch die dritte Tür entweichen können. Studer trat ins Arbeitszimmer.
    »Hast du etwas gefunden, Ludwig?«
    »Nur dies Heft!«
    Ein Wachstuchheft… Ein Tagebuch… Die Schrift des ›Chinesen‹ wohl. Die letzte Eintragung trug das Datum: 17. XI. Pech! Das war Pech! Farny James hatte in englischer Sprache geschrieben – seine Schrift war nicht leicht zu lesen. Immerhin hatte der Schreiber vier Seiten gefüllt – und merkwürdig sah der Schluß aus. Ein Tintenklex, ein Loch im Papier… War die Füllfeder zerbrochen? Studer riß die Blätter aus dem Heft… »Leg's zurück, Ludwig! Wo hat's gelegen?«
    »Hinter den Büchern dort!«
    Studer trat näher, und während das Knechtlein das Heft an seinen Platz steckte, las Studer die Titel… Pfründisberg schien eine große Vorliebe für Kriminalgeschichten zu haben. Nicht nur Wottli hatte sich für diese Literatur interessiert. Agatha Christie, Wallace… Studer erinnerte sich, daß er dies schon einmal festgestellt hatte. Damals war Münch in einem Lehnstuhl am Kamin gesessen.
    Schritte kamen näher, die Türe wurde aufgestoßen. Hungerlott betrat den Raum.
    »Fertig, Herr Wachtmeister?«
    »Ja, märci. Ich hab'mit Münch reden können…«
    »So? Wirklich? Das ist merkwürdig…« Innerlich grinste Studer – aber gleich darauf ärgerte er sich darüber; denn der Hausvater sagte: »Merkwürdig, ja. Weil das Zimmermädchen nicht gehört hat, daß Sie telephonieren. Kommen Sie jetzt zurück. Und du dort auch!« Ludwig fletschte die Zähne wie ein wütender Hund. Aber der Wachtmeister klopfte

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