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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Verletzten mit. Pflegt ihn und bringt ihn morgen früh hierher.«
    In dieser Nacht schlief Studer tief und fest. Das Knechtlein aber saß im Dunkeln und bewachte seinen väterlichen Freund…

Beginn des Endes
    Um halb sechs Uhr schon fuhr draußen ein Auto vor und Studer erwachte. Er zog seinen Mantel an, schlich zur Haustür und stieß den Riegel zurück. Er sah, wie drei Leute dem Auto entstiegen – dann fuhr der Wagen ab. Langsam kamen sie auf die Treppe zu – der in der Mitte Gehende stützte sich schwer auf die beiden andern…
    »Grüeß di, Hans«, sagte der Studer leise.
    »Salü!« Münch lächelte.
    »Komm mit. Du kannst abliegen auf meinem Bett. Und sprich nicht zuviel. Deine Geschichte kannst du dann nach dem Mittagessen erzählen. Ich glaub', dort drüben wissen sie noch nichts. Der Hungerlott hat mich gestern zum Mittagessen eingeladen…«
    »Studer, paß auf!« murmelte Münch. Er hatte Mühe zu sprechen. »Du weißt nicht, was du riskierst… Hinterlistig sind sie… Hast du noch den Brief und das Testament?«
    Sie waren in Studers Zimmer angekommen. Der Notar legte sich nieder. Um acht Uhr schickte der Wachtmeister den Ludwig Frühstück holen. »Bring es selbst!« kommandierte er.
    Bis elf Uhr hielten die drei Fahnder Kriegsrat. Dann, als Studer alles ausgepackt hatte, stand er auf. Vor dem Fenster fuhren Autos vorbei. Die Besucher der Armenanstalt begannen einzutreffen.
    »Du kommst mit, Ludwig!« befahl der Wachtmeister. Und dann brachen die beiden auf… Sie traten ins Haus, die Halle war leer. Studer stieß die Türe auf, die in den Speisesaal der Armenhäusler führte. Die Tische waren besetzt und die Insassen trugen frischgewaschene, blaue Überkleider; es roch nach Fleischsuppe. Die Gamellen bis zum Rande gefüllt und ein halber Laib Brot lag vor jedem Platze. Die Armen aßen.
    Studer verlangte zum Direktor geführt zu werden. Und der Mann kam mit.
    Diesmal zog der Wärter nicht am Klingelzug, ganz tief und untertänig beugte er sich herab bis zur Klinke, lauschte am Schlüsselloch und klopfte dann, leise. Drinnen verstummte ein Gespräch. Die Tür wurde aufgerissen: Vinzenz Hungerlott rief freudig aus:
    »Ah, der Herr Wachtmeister!« Studer solle doch nähertreten, er werde Bekannte finden. Dann erst bemerkte der Hausvater Ludwig Farny, sein Gesicht verzog sich, so als ob er Zahnweh habe: der sei doch nicht eingeladen, meinte er und fragte, ob das Knechtlein auch dabeisein müsse!
    »Ja!« sagte Studer trocken.
    Hungerlott tat als bemerke er die Unhöflichkeit nicht. Seine einladende Bewegung konnte den beiden gelten – oder nur dem Wachtmeister. Studer schielte auf seinen Begleiter… Merkwürdig: Der Ludwig war nicht rot geworden.
    Die beiden traten ein, durchschritten einen Gang; ein Stubenmädchen öffnete die Tür zu einem Raum, dessen Luft blau war von Zigarrenrauch. Likörgläser standen herum.
    »Elsi, bring noch zwei Gläser«, befahl Herr Hungerlott.
    Es gab keine langen Vorstellungen. Die meisten der Herren kannte Studer – war er doch früher Kommissär an der Stadtpolizei gewesen. Zwei Schreiber der Armenbehörde – jeder von ihnen war stolz, wenn man ihn ›Herr Sekretär‹ nannte –, ein älterer schwerhöriger Mann aus der Fürsorgestelle für entlassene Sträflinge, Großräte in Schwalbenschwänzen. Und noch einer saß da, ein wenig entfernt von den übrigen: Studers Vorgesetzter, der Polizeihauptmann. Seine Gesichtshaut war bleich, sein Schnurrbart lang und grau. »Ah, der Studer!« nickte der wohlgekleidete Herr und winkte mit seiner mageren Hand. »Und? Hast du etwas gefunden?«
    »Wir wollen warten bis nach dem Essen«, flüsterte der Wachtmeister. – »Gut, gut… Meinetwegen. Aber blamier dich nicht.« – Studer schüttelte den Kopf. »Heut nicht«, flüsterte er, »heut sicher nicht… Alles werd' ich nicht erklären können. Aber ich hab noch zwei Leut' eingeladen: eine Frau und einen Mann. Auch sie werden nach dem Essen kommen.« Studer blickte zu Hungerlott hinüber. Der Hausvater war in ein Gespräch mit einem der jungen Assistenten vertieft. Vater Äbi saß neben ihm – und er fiel nicht besonders auf.
    »Was will der Schroter hier?« trompetete einer der Schreiber. Studer blinzelte und sagte, der Statthalter von Roggwil habe ihn rufen lassen und da die Angelegenheit nun erledigt sei, habe er sich zu einem guten z'Mittag einladen lassen… Die letzten Worte wurden von einer Gelächterwoge fortgeschwemmt, denn einer der Großräte hatte einen Witz

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