Der Chinese
Vorbereitungen geleitet hatte, das Wort. Er war auffallend jung, hatte einen kahlen Kopf und trug eine randlose Brille. Sie glaubte zu verstehen, dass er Mapito oder vielleicht auch Mapiro hieß. Seine Stimme klang aufgekratzt, als ob ihm das, was er zu sagen hatte, tatsächlich Spaß machte.
Und Hong verstand. Langsam wurde der Zusammenhang deutlich, der Charakter des Treffens, der geheimnisvolle Rahmen. Tief im Busch von Mosambik nahm ein gigantisches Projekt Form an, das zwei der ärmsten Länder der Welt verband, nur dass das eine eine Großmacht, das andere ein kleines Land in Afrika war. Hong lauschte den Worten aufmerksam, die weiche chinesische Stimme übersetzte folgsam, und sie begriff, warum Ya Ru sie hatte dabeihaben wollen. Hong war eine kraftvolle Gegnerin alles dessen, was China in eine imperialistische Macht und damit, wie Mao zu sagen pflegte, in einen Papiertiger verwandeln könnte, den der Widerstand eines vereinigten Volkes früher oder später vernichten würde. Vielleicht hatte Ya Ru die schwache Hoffnung, Hong würde sich überzeugen lassen, dass das, was hier geschah, den beiden armen Ländern Vorteile bringen würde? Wichtiger aber war, dass die Gruppe, der Hong angehörte, den Machthabern keine Angst machte. Weder Ke noch Ya Ru fürchteten sich vor Hong und ihren Gesinnungsfreunden. Als Mapito eine kurze Pause machte, um Wasser zu trinken, dachte Hong an das, was sie am meisten befürchtete: dass China wieder zu einer Klassengesellschaft würde. Schlimmer als das, wovor Mao gewarnt hatte, ein Land, das sich in machtvolle Eliten und eine Unterklasse spalten würde, die in ihre Armut eingeschlossen blieb. Das sich außerdem gestattete, die Umwelt zu ignorieren, wie Imperialisten es immer getan hatten.
Mapito sprach weiter. »Wir werden im Laufe des Tages am Sambesi entlangfliegen, flussaufwärts bis nach Bandar und dann hinunter nach Luabo, wo das große Delta beginnt, das den Fluss mit dem Meer vereint. Wir werden über fruchtbare Gegenden fliegen, die wenig bevölkert sind. Nach unseren Berechnungen werden wir im Laufe einer Fünfjahresperiode vier Millionen chinesische Bauern aufnehmen können, die die brachliegenden Gebiete kultivieren werden. Kein Mensch wird zur Umsiedlung gezwungen, keiner verliert sein Auskommen. Im Gegenteil, unsere Landsleute werden Nutzen ziehen aus der großen Veränderung. Alle werden Zugang zu Straßen, Schulen, Krankenhäusern, elektrischem Strom haben, zu allem, was früher nur einer Min derheit auf dem Lande zugänglich war und ein Privileg derer, die in den Städten wohnen.«
Hong hatte schon davon gehört, dass die Behörden, die mit der Zwangsumsiedlung von Bauern im Zuge der großen Dammbauten befasst waren, den Betroffenen versprachen, eines Tages ein Herrenleben in Afrika führen zu können. Sie sah die große Umsiedlung vor sich. Die schönen Worte malten ein paradiesisches Bild, wie die armen Bauern aus China, unwissende Analphabeten, problemlos in diesem fremden Milieu Wurzeln schlugen. Dank der Freundschaft und Zusammenarbeit würden keine Konflikte entstehen mit denen, die seit jeher am Fluss lebten. Aber niemand konnte sie davon überzeugen, dass alles, was sie jetzt hörte, nicht der Beginn der Verwandlung Chinas in eine räuberische Macht war, die sich ohne Zögern das Öl und all die anderen Rohstoffe nehmen würde, die für die eigene rasante wirtschaftliche Entwicklung nötig waren. Die Sowjetunion hatte während des langen Befreiungskampfes, der 1974 zur Vertreibung der portugiesischen Kolonisatoren geführt hatte, mit Waffen geholfen. Es waren oft alte, ausgediente Waffen gewesen. Im Gegenzug hatte man sich das Recht zur Raubfischerei in den reichen Fischgründen Mosambiks herausgenommen. Würde China jetzt der Tradition folgen, deren erstes und einziges Gebot war, immer den eigenen Zwecken zu dienen? Um die Blicke nicht auf sich zu ziehen, applaudierte sie mit den anderen, als die Rede zu Ende war. Handelsminister Ke trat ans Rednerpult. Es gebe keine Gefahren, versicherte er, alles und alle seien vereint, die Ausbeute sei gegenseitig und gleichwertig.
Ke sprach kurz. Danach wurden die Gäste in das andere Zelt geführt, wo verschiedene kleine Gerichte aufgetischt waren. Hong nahm sich ein gekühltes Glas Wein. Sie sah sich wieder nach Ya Ru um, ohne ihn zu finden.
Eine Stunde später stiegen die Helikopter auf und flogen nach Nordwesten. Hong sah den mächtigen Fluss unter sich. Die wenigen Gebiete, wo Menschen
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