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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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San.
     
    »Ich habe Hunger«, sagte Guo Si.
     
    San schüttelte den Kopf. Guo Si wusste so gut wie er selbst, dass sie nichts zu essen hatten.
     
    »Wir können nicht stehlen«, sagte San. »Dann könnte es uns ergehen wie denen, deren Köpfe an der Wegkreuzung auf Pfählen stecken. Erst müssen wir arbeiten, dann verschaffen wir uns etwas zu essen.«
     
    Er ging mit seinen Brüdern an den Platz, wo die Männer mit ihren Lasten hin und her gelaufen waren. Der Hund folgte ihnen. San beobachtete die Männer, die an den Stegen der Schiffe die Befehle gaben. Schließlich entschloss er sich, zu einem dicken kleinen Mann zu gehen, der die Träger nicht schlug, auch wenn sie sich langsam bewegten. »Wir sind drei Brüder«, sagte San. »Wir können tragen.«
     
    Der Mann sah ihn wütend an und kontrollierte gleichzeitig die Männer, die mit ihren Lasten auf den Schultern aus dem Laderaum des Fahrzeugs auftauchten.
     
    »Was wollt ihr Bauern alle in Kanton«, schrie er. »Warum kommt ihr her? Es gibt tausend bettelnde Bauern, die arbeiten wollen. Ich habe schon mehr als genug. Geht und stört mich nicht.«
     
    Sie wanderten weiter die Landungsbrücken entlang, bekamen aber überall die gleiche Antwort. Niemand wollte sie haben.
     
    An diesem Tag aßen sie nur schmutzige Gemüsereste, die bei einem Markt zertreten auf der Straße lagen. Wasser tranken sie an einer Pumpe, um die sich ausgehungerte Menschen versammelt hatten. In der Nacht lagen sie wieder zusammengerollt auf der Brücke. San konnte nicht schlafen. Er drückte die Fäuste fest auf seinen Magen, um das nagende Hungergefühl zu vertreiben. Er dachte an den Schmetterlingsschwarm, in den er hineingegangen war. Es war, als wären all die Schmetterlinge in seinen Körper eingedrungen und schrammten mit scharf geschliffenen Flügeln an seinen Gedärmen.
     
    Weitere zwei Tage vergingen, ohne dass sie jemanden gefunden hätten, der sagte, ihre Rücken würden gebraucht. Als der zweite Tag zu Ende ging, wusste San, dass sie nicht mehr lange durchhalten würden. Sie hatten nichts mehr gegessen, seit sie das zertretene Gemüse gefunden hatten. Jetzt lebten sie nur noch von Wasser. Wu hatte Fieber bekommen und lag im Schatten eines Stapels von Tonnen auf der Erde und zitterte. San fasste seinen Entschluss, als die Sonne versank. Sie mussten etwas essen, sonst würden sie untergehen. Er führte die Brüder und den Hund zu einem offeneil Platz, wo verarmte Menschen an Feuern saßen und aßen, was ihnen in die Hände gefallen war.
     
    Jetzt verstand er, warum seine Mutter ihnen den Hund geschickt hatte. Mi t einem Stein zertrümmerte er ihm den Kopf. Die Menschen von einem der nächsten Feuer kamen näher. Auf ihren mageren Gesichtern spannte sich die Haut. San lieh sich von einem der Männer ein Messer, schlachtete den Hund und legte die Stücke in einen Kessel. Sie waren so hungrig, dass sie nicht warten konnten, bis das Fleisch gar war. San verteilte die Stücke so, dass alle am Feuer gleich viel bekamen.
     
    Nach dem Essen legten sie sich auf die Erde und schlossen die Augen. Nur San saß noch da und sah in die Flammen. Am nächsten Tag würden sie nicht einmal mehr einen Hund zu essen haben.
     
    Er sah die Eltern vor sich, wie sie an jenem Morgen an dem Baum gehangen hatten. Wie weit entfernt war jetzt sein eigener Hals von dem Ast und dem Seil? Er wusste es nicht. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass jemand ihn beobachtete. Er blinzelte ins Dunkel. Da stand tatsächlich jemand, das Weiße in seinen Augen glänzte. Der Mann trat ans Feuer. Er war älter als San, aber nicht besonders alt. Er lächelte. San dachte, er müsse einer der glücklichen Menschen sein, die nicht ständig hungrig waren.
     
    »Ich bin Zi. Ich habe gesehen, wie ihr einen Hund gegessen habt.« San antwortete nicht. Er wartete ab. Etwas an dem Fremden machte ihn unsicher.
     
    »Ich bin Zi Qianzhao. Wer bist du?«
     
    San sah sich unruhig um. »Habe ich dein Grundstück betreten?«
     
    Zi lachte. »Ganz und gar nicht. Ich möchte nur wissen, wer du bist. Neugier ist eine menschliche Tugend. Wer nicht wissbegierig ist, hat selten ein gutes Leben zu erwarten.« 
    »Ich bin Wang San.«
     
    »Woher kommst du?«
     
    San war es nicht gewohnt, dass jemand ihm Fragen stellte. Er wurde misstrauisch. Vielleicht gehörte der Mann, der sich Zi nannte, zu den Auserwählten, die das Recht hatten, zu verhören und zu bestrafen. Vielleicht hatten er und seine Brüder eines der vielen Gebote und

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