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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Fernsehen gesehen hatte. Sie hatte eine Erinnerung an etwas, was sie gesehen hatte. Nur eine dünne Haut trennte das unklare Erinnerungsbild von ihrem klaren Bewusstsein. Doch sie bekam das Bild nicht zu fassen. Wenn ich schon so weit gefahren bin, kann ich auf jeden Fall versuchen herauszufinden, was mir da nicht einfällt, dachte sie und rief im Polizeipräsidium an. Ein paarmal fuhren Holzlaster auf der Straße an ihr vorbei und wirbelten Schneewolken auf, die für einige Augenblicke die Sicht verdunkelten. Es dauerte lange, bis sich am Telefon jemand meldete. Die Telefonistin bei der Polizei, die ihren Anruf entgegennahm, hörte sich gestresst an. Birgitta Roslin bat darum, mit Erik Hudden verbunden zu werden.
     
    »Es geht um die Ermittlung«, verdeutlichte sie. »Hesjövallen.« 
    »Ich glaube, er ist nicht zu sprechen. Aber ich versuche es.« Als er schließlich ans Telefon kam, hatte Birgitta Roslin die Hoffnung schon fast aufgegeben.
     
    Auch er klang gehetzt und ungeduldig. »Hudden.« 
    »Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern«, sagte sie. »Ich bin die Richterin, die bei Ihnen war und darauf bestanden hat, mit Vivi Sundberg zu sprechen.«
     
    »Ich erinnere mich.«
     
    Sie fragte sich, ob Vivi Sundberg etwas über die Ereignisse in der vergangenen Nacht gesagt hatte. Aber sie hatte den Eindruck, dass Erik Hudden nichts wusste. Vielleicht hatte Vivi Sundberg es tatsächlich für sich behalten, wie sie es versprochen hatte? Möglicherweise profitiere ich davon, dass es nicht ganz regelkonform von ihr war, mich überhaupt in das Haus zu lassen.
     
    »Es geht um das rote Seidenband, das Sie im Fernsehen gezeigt haben«, sagte sie.
     
    »Leider war es ein Fehler, es zu zeigen«, sagte Erik Hudden. »Warum denn?«
     
    »Unsere Vermittlung wird im Moment von Anrufern blockiert, die behaupten, das Band gesehen zu haben. Vor allem um eingeschlagene Weihnachtsgeschenke.« »Meine Erinnerung sagt etwas völlig anderes. Ich glaube, ich habe es gesehen.«
     
    »Und wo?«
     
    »Das fällt mir nicht ein. Aber mit Weihnachtsgeschenken hat es nichts zu tun.«
     
    Er atmete schwer am Telefon, schien sich nicht entscheiden zu können. »Ich zeige Ihnen das Band«, sagte er schließlich. »Wenn Sie jetzt kommen.«
     
    »Innerhalb der nächsten halben Stunde?«
     
    »Aber Sie bekommen nur zwei Minuten, nicht mehr.« Er holte sie an der Anmeldung ab, hustend und niesend. Auf dem Tisch seines Büros lag der Plastikbeutel mit dem Seidenband. Er nahm es heraus und legte es auf ein weißes Blatt Papier. »Es ist exakt neunzehn Zentimeter lang«, sagte er. »Gut einen Zentimeter breit. An einem Ende ist ein Loch, was darauf schließen lässt, dass das Band an etwas befestigt war. Es ist aus Baumwolle und Polyester, sieht aber aus wie Seide. Wir haben es im Schnee gefunden. Einer der Hunde hat es aufgespürt.«
     
    Sie strengte sich aufs Äußerste an. Sie war sicher, das Band gesehen zu haben. Aber sie kam nicht darauf, wo. »Ich habe es gesehen«, sagte sie. »Darauf könnte ich schwören. Vielleicht nicht genau dieses. Aber ein ähnliches.«
     
    »Wo?«
     
    »Das fällt mir nicht ein.«
     
    »Wenn Sie etwas Ähnliches in Schonen gesehen haben, wird es uns kaum helfen.«
     
    »Nein«, sagte sie ernst. »Ich habe es hier gesehen.« Während sie das Band betrachtete, lehnte Erik Hudden an der Wand und wartete. »Fällt es Ihnen ein?«
     
    »Nein. Leider nicht.«
     
    Er steckte das Band zurück in den Beutel und begleitete sie zur Anmeldung. »Wenn Ihre Erinnerung zurückkommt, rufen Sie uns bitte an«, sagte er. »Aber wenn sich zeigt, dass es doch nur ein Geschenkband war, brauchen Sie sich nicht zu melden.«
     
    Auf der Straße stand Lars Emanuelsson und wartete auf sie. Er hatte sich eine verschlissene Pelzmütze tief in die Stirn gezogen.
     
    Als sie ihn entdeckte, war sie empört. »Warum verfolgen Sie mich?«
     
    »Das tue ich nicht. Ich ziehe meine Kreise, wie ich Ihnen schon erklärt habe. Jetzt habe ich Sie zufällig ins Polizeipräsidium gehen sehen und dachte mir, ich könnte auf Sie warten. Gerade jetzt frage ich mich, was Ihr sehr kurzer Besuch bedeutet hat.«
     
    »Das werden Sie nie erfahren. Lassen Sie mich in Frieden, bevor ich ärgerlich werde.« Sie ging davon, hörte aber seine Stimme hinter sich. »Vergessen Sie nicht, dass ich schreiben kann.«
     
    Sie wandte sich heftig um. »Drohen Sie mir?«
     
    »Mitnichten.«
     
    »Ich habe erklärt, warum ich hier bin. Es gibt absolut

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