Der Chinese
werfen wir euch beide über Bord, auch wenn du noch lebst.«
San verbeugte sich tief. Dann half er Guo Si, sich in den Schatten vor eine große Taurolle zu setzen. »Ich bin da«, sagte San. »Ich helfe dir.«
Guo Si sah ihn mit blutunterlaufenen Augen an. »Wo ist Wu?«
»Er schläft. Alles wird gut.«
Guo Si versank wieder in seinen Halbschlaf. San sah sich vorsichtig um. Das Schiff hatte zahlreiche Segel an drei hohen Masten gesetzt. Nirgendwo sah er Land. An der Stellung der Sonne erkannte er, dass das Schiff nach Osten fuhr. Die aneinander gefesselten Männer waren halbnackt und mager wie er selbst. Vergeblich hielt er Ausschau nach Wu. Er begriff, dass Wu wirklich tot und in Kanton zurückgeblieben war. Mit jeder Welle, die das Schiff mit seinem Bug zerteilte, blieb er weiter hinter ihnen zurück.
San sah den Unglückskameraden neben sich an. Er hatte ein geschwollenes Auge und eine tiefe Kerbe in der Stirn, von einer Axt oder einem Schwert. San wusste nicht, ob es erlaubt war zu sprechen oder ob man ihn dann schlagen würde. Aber einige Männer an der langen Kette murmelten miteinander. »Ich bin San«, sagte er leise. »Meine Brüder und ich wurden in der Nacht überfallen. Danach weiß ich nichts mehr, bis ich hier aufgewacht bin.«
»Ich bin Liu.«
»Was ist mit dir passiert, Liu?«
»Ich habe meinen Besitz, meine Kleidung und mein Werkzeug verspielt. Ich bin Holzschneider. Als ich meine Schulden nicht bezahlen konnte, haben sie mich geholt. Ich versuchte, mich loszureißen. Da haben sie mich geschlagen. Als ich die Augen aufmachte, war ich auf dem Schiff.« »Wohin fahren wir?«
Liu spuckte aus und tastete mit der angeketteten Hand vorsichtig an seinem wunden Auge. »Wenn ich mich umsehe, weiß ich die Antwort. Wir sind auf dem Weg nach Amerika oder eher auf dem Weg in den Tod. Wenn ich mich befreien kann, springe ich über Bord.«
»Kannst du zurückschwimmen?«
»Du bist dumm. Ich werde ertrinken.«
»Niemand wird deine Knochen finden, um sie zu begraben.«
»Ich werde mir einen Finger abhacken und jemanden bitten, ihn mit zurück nach China zu nehmen und zu begraben. Ich habe immer noch ein bisschen Geld. Damit werde ich dafür bezahlen, dass nicht mein ganzer Körper im Meer verschwindet. «
Das Gespräch wurde unterbrochen, als ein Seemann auf einen Gong schlug. Man befahl ihnen, sich hinzusetzen, und jeder bekam eine Schale Reis. San weckte Guo Si und fütterte ihn, bevor er seinen eigenen Reis aß. Es war alter Reis, er schmeckte verdorben.
»Auch wenn der Reis nicht schmeckt, er hält uns am Leben«, sagte Liu. »Wenn wir sterben, sind wir nichts wert. Wir sind wie Schweine, die man mästet, bevor sie sterben.« San sah ihn entsetzt an. »Wird man uns schlachten? Woher weißt du das alles?«
»Mein Leben lang habe ich Geschichten gehört und weiß, was uns erwartet. Am Kai wird jemand stehen, der uns gekauft hat. Entweder landen wir in den Gruben oder weit draußen in einer Wüste, wo wir Eisen auf die Erde legen müssen für Maschinen mit kochendem Wasser im Bauch, die Wagen auf großen Rädern ziehen. Frag mich nicht mehr. Du bist ja doch zu dumm, um es zu verstehen.«
Liu wandte sich ab und legte sich hin, um zu schlafen. San fühlte sich gekränkt. Wenn er frei gewesen wäre, hätte Liu nie gewagt, so zu sprechen.
Am Abend ließ der Wind nach. Die Segel hingen schlaff an den Masten. Sie bekamen noch eine Schale mit muffigem Reis, jeder eine Kelle Wasser und Brot, das so hart war, dass man es kaum kauen konnte. Dann hockten sie der Reihe nach über der Reling, um sich zu entleeren. San musste Guo Si festhalten, damit er mit den schweren Ketten nicht über Bord fiel und andere mit sich riss.
Einer der Seeleute, der eine dunkle Uniform trug und so weiß war wie der Mann, den sie in Kanton in der Sänfte gesehen hatten, bestimmte, dass Guo Si zusammen mit San an Deck schlafen sollte. Sie wurden an einen Mast gekettet, während die anderen unter Deck geschickt wurden, worauf die Ladeluke verschlossen wurde.
San saß, an den Mast gelehnt, und sah den Seeleuten zu, die vor kleinen Feuern mit Eisenkesseln hockten und ihre Pfeifen rauchten. Das Schiff rollte und knarrte in der trägen Dünung. Von Zeit zu Zeit kam einer der Seeleute und kontrollierte, dass San und Guo Si sich nicht zu befreien versuchten. »Wie lange werden wir unterwegs sein?« fragte San. Der Seemann hockte sich hin und sog an seiner
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