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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Lodin. Um ihnen Gelegenheit zum Üben zu geben, sprach Hamberg oft mit ihnen in der fremden Sprache. Durch den offenen Spalt einer Tür hörte San, wie Hamberg Lodin fragte, wie sie ihn kennengelernt hätten. San war verwundert und verbittert, dass Hamberg Lodin davor warnte, einem chinesischen Diener blind zu vertrauen.
     
    Noch nie hatte San einen Missionar etwas Unvorteilhaftes über einen Chinesen sagen hören. Er beschloss jedoch, weder Elgstrand noch Lodin Gelegenheit zu geben, Hambergs Standpunkt zu teilen.
     
    Nach einigen Wochen intensiver Vorbereitungen verließen sie Kanton, fuhren an der Küste entlang und schließlich den Fluss Min Jiang hinauf bis nach Fuzhou, der Stadt der Weißen Pagode. Hamberg hatte ihnen ein Empfehlungsschreiben an den höchsten Mandarin in der Stadt verschafft, der christlichen Missionaren gegenüber Wohlwollen bewiesen hatte. San hatte verwundert zugesehen, wie sich Elgstrand und Lodin ohne Zögern zu Boden warfen und sich mit der Stirn auf dem Fußboden vor dem Mandarin verneigten. Dieser hatte ihnen erlaubt, in der Stadt tätig zu werden, und nach einigem Suchen hatten sie ein Quartier gefunden, das sich für ihre Zwecke eignete. Es war ein geschlossener Hofkomplex mit mehreren Häusern.
     
    Am Tag des Einzugs fielen Elgstrand und Lodin auf die Knie und segneten den Hof, der ihre Zukunft sein sollte. Auch San ließ sich auf die Knie nieder. Aber er dachte daran, dass er noch keinen passenden Ort gefunden hatte, um Guo Sis Fuß zu begraben.
     
    Es dauerte einige Monate, bis er einen Platz am Fluss ausgewählt hatte, wo die Abendsonne über den Bäumen schien und die Erde langsam in Schatten verwandelte. San suchte den Ort einige Male auf und empfand eine tiefe Ruhe, wenn er dort saß, den Rücken an einen Stamm gelehnt. Der Fluss strömte still durch die Ebene. Selbst jetzt, im Herbst, wuchsen Blumen an den flachen Ufern.
     
    Hier konnte er mit seinen Brüdern sprechen. Hier würden sie ihm nahe sein. Die Grenze zwischen den Toten und den Lebenden würde verwischt werden.
     
    An einem frühen Morgen, als niemand ihn beobachtete, wanderte er zum Fluss hinunter, grub ein tiefes Loch und beerdigte den Fuß und Lius Daumen. Er bedeckte den Boden sorgfältig, glättete alle Spuren und legte schließlich einen Stein auf die Stelle, den er von der langen Wanderung durch die Wüsten Amerikas mitgebracht hatte.
     
    San überlegte, ob er eines der Gebete sprechen sollte, die er von den Missionaren gelernt hatte. Aber da Wu, der in gewisser Weise auch hier war, den Gott nicht kennengelernt hatte, an den die Gebete zu richten waren, sprach er nur ihre Namen. Er gab ihrem Geist Flügel und ließ sie davonfliegen. Elgstrand und Lodin entwickelten eine erstaunliche Energie. San hatte großen Respekt vor der Hartnäckigkeit, mit der sie alle Hindernisse überwanden und die Menschen dazu brachten, ihnen beim Aufbau der Missionsstation zu helfen. Natürlich hatten sie auch Geld zur Verfügung, was die Arbeit erleichterte. Elgstrand hatte mit einer englischen Reederei, die regelmäßig Fuzhou anlief, eine Vereinbarung, die Geldsendungen aus Schweden mitzubringen. San wunderte sich, dass die Missionare offenbar keine Angst vor Dieben hatten, die nicht zögern würden, sie zu töten, um an ihren Besitz zu kommen. Elgstrand bewahrte Geld und Wechsel unter dem Kopfkissen auf, wenn er schlief. Waren er oder Lodin nicht in der Nähe, hatte San die Verantwortung.
     
    Einmal zählte San das Geld, das in einer kleinen Ledertasche verwahrt wurde, heimlich nach. Er war erstaunt, wie viel es war. Einen Augenblick lang war er in Versuchung, das Geld zu nehmen und zu verschwinden. Mit all diesem Geld konnte er sich nach Beijing begeben und das Leben eines reichen Mannes führen, der von Zinsen lebte.
     
    Die Versuchung schwand, als er an Guo Si und die Zuwendung dachte, die die Missionare ihm während seiner letzten Tage hatten zuteil werden lassen.
     
    San selbst führte ein Leben, von dem er früher nicht hätte träumen können. Er hatte ein Zimmer mit einem Bett, reine Kleidung, immer etwas zu essen. Während er früher auf der untersten Stufe gestanden hatte, trug er jetzt die Verantwortung für mehrere Diener, die es im Hause gab. Er war streng und bestimmt, lehnte aber körperliche Strafen ab. Schon einige Wochen nach der Ankunft öffneten Elgstrand und Lodin die Türen ihres Hauses und baten die Menschen herein, die neugierig waren und hören wollten, was die fremden weißen Männer zu

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