Der Chinese
verkünden hatten. Es entstand sogar Gedränge im Hof. San, der sich im Hintergrund hielt, konnte hören, wie Elgstrand in seinem dürftigen Chinesisch von dem sonderbaren Gott erzählte, der seinen Sohn geschickt hatte, damit er gekreuzigt wurde. Lodin ging umher und verteilte Farbbilder, die von Hand zu Hand gingen.
Als Elgstrand fertig war, leerte sich der Hof schnell. Aber am nächsten Tag wiederholte sich alles, die Menschen kamen wieder oder ließen sich von anderen, die schon dort gewesen waren, mitziehen. Die ganze Stadt sprach von den seltsamen weißen Männern, die sich in ihrer Mitte niedergelassen hatten. Am schwersten war es für die Chinesen zu verstehen, dass Elgstrand und Lodin sich nicht mit Geschäften befassten. Sie hatten weder Waren zu verkaufen, noch wollten sie selbst etwas kaufen. Sie standen da und sprachen in ihrem schlechten Chinesisch von einem Gott, der alle Menschen wie seinesgleichen behandelte.
Die Anstrengungen der Missionare kannten in dieser ersten Zeit keine Grenzen. Über dem Eingang zum Hof waren bereits einige chinesische Schriftzeichen angebracht, sie bedeuteten »Tempel des wahren Gottes«. Die beiden Männer schienen nie zu schlafen, sie waren immer tätig. San hörte sie zuweilen auf Chinesisch den Ausdruck »erniedrigende Abgötterei« benutzen, die zu bekämpfen sei. Er wunderte sich darüber, dass sie offenbar der Meinung waren, sie könnten gewöhnliche Chinesen veranlassen, Denkweisen und Glauben abzulegen, mit denen sie seit Generationen gelebt hatten. Wie sollte ein Gott, der es zuließ, dass sein Sohn an ein Kreuz genagelt wurde, einem armen Chinesen geistigen Trost oder Lebenskraft geben können?
San hatte seit ihrer Ankunft in der Stadt viel zu tun. Als Elgstrand und Lodin das Haus gefunden hatten, das ihren Zwecken entsprach, und dem Besitzer den geforderten Preis gezahlt hatten, war es Sans Aufgabe, Dienstboten anzuwerben. Da viele von sich aus kamen und nach Arbeit fragten, brauchte San die Bewerber nur zu bewerten und nach ihrer Qualifikation zu fragen. Seine Vernunft half ihm dann, sich ein Urteil zu bilden, wer am besten geeignet war.
Einige Wochen nach der Ankunft, als San wie jeden Morgen das schwere Holztor entriegelte und öffnete, stand eine junge Frau vor ihm. Sie stand mit gesenktem Kopf da und sagte, sie heiße Luo Qi. Sie kam aus einem kleinen Dorf am oberen Min-Fluss in der Nähe von Shuikou. Ihre Eltern waren arm, und sie hatte das Dorf verlassen, als ihr Vater sie als Konkubine an einen siebzigjährigen Mann in Nanchang verkaufen wollte.
Sie hatte ihren Vater um Gnade angefleht, zumal es hieß, einige der früheren Konkubinen des Mannes seien totgeschlagen worden, als er ihrer müde war. Aber ihr Vater hatte nicht nachgegeben, und sie war geflohen. Ein deutscher Missionar, der flussaufwärts bis nach Gou Sihan gekommen war, hatte ihr von der Missionsstation in Fuzhou erzählt, wo dem Bittenden christliche Barmherzigkeit zuteil werde.
San sah sie lange an, dann stellte er einige Fragen nach ihren Fähigkeiten und ließ sie herein. Sie sollte probeweise den Frauen und dem Koch helfen, die die Verantwortung für die Lebensmittelversorgung auf der Station hatten.
Die Freude, die er in ihrem Gesicht sah, rührte ihn. Dass er die Macht hatte, einen anderen Menschen zu erfreuen, indem er ihm Arbeit und einen Ausweg aus bodenlosem Elend anbot, hätte er sich nie träumen lassen.
Qi bewährte sich, und San ließ sie bleiben. Sie wohnte bei den anderen Dienstmädchen und war bald beliebt wegen ihres ruhigen Wesens. Sie versuchte nie, sich einer Arbeit zu entziehen. San sah ihr gerne zu, wenn sie in der Küche arbeitete oder mit irgendeinem Auftrag über den Hof eilte. Hin und wieder begegneten sich ihre Blicke.
Eines Tages kurz vor Weihnachten bat Elgstrand darum, ein Boot und eine Rudermannschaft anzumieten. Sie wollten den Fluss hinunterfahren zu einem englischen Schiff, das soeben aus London gekommen war. Elgstrand hatte eine Nachricht des britischen Konsuls in Fuzhou erhalten, dass eine Sendung für die Missionsstation an Bord sei. »Du kommst am besten mit«, lächelte Elgstrand. »Ich brauche meinen besten Mann, wenn ich eine Tasche voll Geld holen soll.«
San fand eine Rudermannschaft am Hafen, die die Aufgabe übernehmen wollte. Am nächsten Tag bestieg er mit Elgstrand das Boot. San hatte ihm zugeflüstert, es sei besser, nicht zu sagen, was sie von dem englischen Schiff holen
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