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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ihrem Frühstück auf, bevor sie sich den Tätigkeiten zuwandten, die ihre Tage ausfüllten. Er erklärte, weshalb er kam.
     
    Lodin schwieg, während Elgstrand das Wort führte. »Warum willst du sie heiraten?«
     
    »Sie ist freundlich und verständig. Sie arbeitet hart.« 
    »Sie ist eine sehr einfache Frau und beherrscht nichts von dem, was du gelernt hast. Sie zeigt kein Interesse für unsere christliche Botschaft.«
     
    »Sie ist noch sehr jung.«
     
    »Es wird behauptet, dass sie stiehlt.«
     
    »Die Diener klatschen. Keiner wird verschont. Jeder bringt gegen jeden Beschuldigungen vor. Ich weiß, was wahr ist und was nicht. Qi stiehlt nicht.« Elgstrand wandte sich an Lodin. Was sie in der fremden Sprache sagten, konnte San nicht verstehen.
     
    »Wir sind der Meinung, dass du warten solltest«, sagte Elgstrand. »Wenn ihr heiraten wollt, muss es eine christliche Trauung sein. Die erste, die wir hier vornehmen. Aber ihr seid beide noch nicht reif. Wir wollen, dass ihr wartet.« San verbeugte sich und verließ den Raum. Seine Enttäuschung war groß. Aber Elgstrand hatte nicht endgültig nein gesagt. Eines Tages würden er und Qi ein Paar sein. Einige Monate später vertraute Qi San an, dass sie schwanger war. San jubelte innerlich vor Freude und bestimmte sofort, dass das Kind, wenn es ein Sohn wäre, den Namen Guo Si erhalten sollte. Gleichzeitig wusste er, dass die neue Situation sehr problematisch werden konnte. In Elgstrands und Lodins täglichen Verkündigungen vor den Menschen im Hof der Missionsstation kamen gewisse Dinge öfter vor als andere. San hatte verstanden, dass die christliche Religion die strenge Forderung an die Menschen stellte, verheiratet zu sein, ehe sie Kinder bekamen. Vor der Ehe miteinander zu schlafen galt als große Sünde. San überlegte lange, was er tun sollte, wusste sich aber keinen Rat. Eine Weile würde sich der wachsende Bauch verbergen lassen. Aber San würde etwas sagen müssen, ehe die Wahrheit ans Licht kam.
     
    Eines Tages wurde San mitgeteilt, dass Lodin eine Rudermannschaft brauchte. Er wollte einige Meilen flussaufwärts eine Missionsstation besuchen, die deutsche Missionare dort errichtet hatten. Wie immer auf diesen Ruderfahrten sollte San mitkommen. Die Unternehmung sollte vier Tage dauern. San verabschiedete sich am Abend vor der Abreise von Qi und versprach, die Zeit zu nutzen, um eine Lösung für ihr großes Problem zu finden.
     
    Als er vier Tage später mit Lodin zurückkehrte, wurde er sofort zu Elgstrand gerufen, der mit ihm sprechen wollte. Der Missionar saß in seinem Büro am Schreibtisch. Sonst forderte er San immer auf, Platz zu nehmen. Diesmal tat er es nicht. San ahnte, dass etwas passiert war.
     
    Elgstrands Stimme war milder als sonst. »Wie war die Reise?« »Alles ging wie erwartet.«
     
    Elgstrand nickte nachdenklich und sah ihn forschend an. »Ich bin enttäuscht«, sagte er. »Ich habe lange Zeit nicht glauben wollen, dass das Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist, wahr ist. Schließlich war ich gezwungen zu handeln. Verstehst du, wovon ich spreche?«
     
    San wusste es. Trotzdem verneinte er.
     
    »Das macht meine Enttäuschung noch größer«, sagte Elgstrand. »Wenn ein Mensch lügt, hat sich der Teufel in sein Gemüt eingenistet. Ich spreche natürlich davon, dass die Frau, die du heiraten wolltest, schwanger geworden ist. Ich gebe dir jetzt noch einmal die Chance, zu sagen, wie es ist.« San senkte den Kopf, ohne zu antworten. Er fühlte, wie sein Herz raste.
     
    »Zum ersten Mal, seit wir uns auf dem Schiff begegnet sind, hast du mich betrübt«, fuhr Elgstrand fort. »Du gehör test zu denen, die mir und Bruder Lodin das Gefühl gaben, dass auch Chinesen ein höheres geistiges Niveau erreichen können. Es waren schwere Tage. Ich habe für dich gebetet und entschieden, dass du bleiben darfst. Aber du musst deinen Fleiß und deine Anstrengungen vergrößern, um irgendwann sagen zu können, dass du dich zu unserem gemeinsamen Gott bekennst.«
     
    San stand mit gesenktem Kopf da und wartete auf eine Fortsetzung, die nicht kam. »Das ist alles«, sagte Elgstrand. »Geh wieder an deine Arbeit.«
     
    In der Tür hörte er Elgstrands Stimme hinter sich. »Du verstehst natürlich, dass Qi nicht bleiben konnte. Sie hat uns verlassen.«
     
    San war wie gelähmt, als er auf den Hof trat. Es war das gleiche Gefühl wie beim Tod seiner Brüder. Er machte Na ausfindig und zog sie mit festem Griff an den Haaren aus der Küche. Es war

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