Der Chinese
Freundlichkeit und die anscheinend endlose Geduld, die die beiden jungen Männer aus Schweden ihm und Guo Si bewiesen. Er sah auch, dass sein Bruder, der sich mit Lodin oft zu Gesprächen unter vier Augen zurückzog, das Gehörte mit großer Freude aufnahm. Deshalb ließ sich San auf keine Diskussionen mit Guo Si darüber ein, was er von dem weißen Gott dachte.
Elgstrand und Lodin teilten ihr Essen mit San und Guo Si. Was an ihrem Gott wahr war und was nicht, konnte San nicht wissen. Aber dass die beiden Männer so lebten, wie sie es lehrten, war nicht zu bezweifeln.
Nach zweiunddreißig Tagen auf See ankerte die Nellie, um im Hafen unterhalb des Tafelbergs bei Kapstadt zu bunkern, und setzte ihre Fahrt dann nach Süden fort. Als sie das Kap der Guten Hoffnung umrunden wollten, gerieten sie in einen gewaltigen südlichen Sturm. Mit gerefften Segeln lag die Nellie vier Tage lang im schweren Seegang. San entsetzte der Gedanke, dass sie untergehen könnten, und er sah, dass auch die Besatzung Angst hatte. Elgstrand und Lodin waren die Einzigen an Bord, die völlig ruhig blieben.
Guo Si geriet in Panik. Lodin blieb bei ihm, während die Wassermassen über das Schiff stürzten und der Rumpf zu zerbrechen drohte. Solange das Unwetter raste, saß Lodin bei Guo Si. Als der Sturm vorbei war, fiel Guo Si auf die Knie und sagte, er wolle seinen Glauben an den Gott bekennen, den die weißen Männer seinen chinesischen Brüdern offenbaren wollten.
San wunderte sich immer mehr über die beiden Missionare, die den Sturm ruhig hatten wüten lassen. Aber wie Guo Si auf die Knie fallen und einen Gott anbeten, der ihm noch allzu rätselhaft war, das konnte er nicht.
Sie umrundeten das Kap der Guten Hoffnung und segelten mit günstigem Wind über den Indischen Ozean. Es wurde wärmer, das Wetter wurde erträglicher. San unterrichtete, und Guo Si zog sich täglich mit Lodin zurück, um sich mit ihm vertraulich zu besprechen.
Aber was der nächste Tag bringen würde, wusste San nicht. Eines Nachts weckte Guo Si seinen Bruder und flüsterte, er habe Blut gespuckt. Er war leichenblass und zitterte in Fieberschauern. San bat einen der Seeleute, die Wache hatten, die Missionare zu holen.
Der Seemann, der aus Amerika stammte und eine schwarze Mutter, aber einen weißen Vater hatte, betrachtete Guo Si. »Soll ich einen der Herren wecken, weil ein chinesischer Junge hier liegt und Blut spuckt?«
»Wenn du es nicht tust, werden sie dich morgen bestrafen. «
Der Mann runzelte die Stirn. Wie konnte sich ein chinesischer Kuli herausnehmen, derart mit einem Mann von der Besatzung zu reden? Aber er wusste, dass die Missionare oft mit San und Guo Si zusammensaßen.
Er holte Elgstrand und Lodin. Sie brachten Guo Si in ihre Kajüte und legten ihn auf eine Pritsche. Lodin schien viel von Medizin zu verstehen. Er behandelte Guo Si mit verschiedenen Arzneien. San hockte an der Wand der engen Kajüte. Das flackernde Licht der Lampe warf Schatten auf die Wände. Das Schiff rollte leicht in der Dünung.
Das Ende kam sehr schnell. Guo Si starb im Morgengrauen. Bevor er seinen letzten Atemzug tat, versicherten Elgstrand und Lodin, er werde zu Gott kommen, wenn er seine Sünden und seinen Glauben bekenne. Sie hielten seine Hände und beteten zusammen. San saß allein in einer Ecke der Kajüte. Er konnte nichts tun. Jetzt verließ ihn sein zweiter Bruder. Aber er bemerkte wohl, dass die Missionare Guo Si eine Ruhe und Zuversicht gaben, die er noch nie in seinem Leben gehabt hatte.
San hatte Mühe, die letzten Worte zu verstehen, die Guo Si zu ihm sagte. Aber er ahnte, dass Guo Si sagen wollte, er habe keine Angst vor dem Sterben. »Jetzt gehe ich«, sagte Guo Si. »Ich gehe auf dem Wasser wie der Mann, der Jesus heißt. Ich gehe in eine andere und bessere Welt. Dort wartet Wu. Und du wirst auch eines Tages dort sein.«
Als Guo Si gestorben war, hockte San da, den Kopf zwischen den Knien und die Hände auf den Ohren. Er lehnte es ab, mit Elgstrand zu sprechen. Aus der einsamen Ohnmacht, die er empfand, konnte ihm niemand heraushelfen.
Er kehrte an seinen Platz im Bug des Schiffes zurück. Zwei Seeleute nähten den toten Guo Si in ein altes Segel ein, zusammen mit rostigen Eisennägeln als Gewichten. Elgstrand kam, um San mitzuteilen, dass der Kapitän in zwei Stunden die Seebestattung abhalten wolle.
»Ich will allein sein mit meinem Bruder«, sagte San. »Ich will nicht, dass er an Deck
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