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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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aber gab den Gedanken sogleich wieder auf, denn er kannte die Antwort nicht. Keiner kannte die Antwort für die genaue Ursache der Pest. Er beschloss, das schwärzliche Gewebe fortzuschneiden. Aber nicht heute, noch nicht, denn noch hoffte er …
    Insgesamt wirkte Arlette schwächer als am Morgen, aber das konnte, wie er sich einredete, auch an der späten Stunde liegen. Ein gutes Zeichen wiederum mochte sein, dass der Durchfall nicht erneut aufgetreten war, andererseits hatte sie auch kaum etwas zu sich genommen. Er schob die nutzlosen Überlegungen beiseite. »Der Schnäpper des Aderlassgeräts macht nur einen kleinen Pieks, es tut bestimmt nicht weh.«
    Sie nickte, schloss die Augen und streckte ihm voller Vertrauen den Arm entgegen.
    Sein Blick fiel auf ihre Hand, und er musste daran denken, dass es nur diese Hand gewesen war, diese feingliedrige Hand, die er über Wochen von ihr gesehen hatte. Damals, in Habana, als sie der Welt nur tief verhüllt entgegengetreten war. Heiße Tränen traten ihm in die Augen, und er wandte sich ab, damit sie seine Schwäche nicht bemerkte. Der Schnäpper schlug zu, und ein dünner Strahl ihres Bluts spritzte in die bereitgestellte Schüssel. »Du bist sehr tapfer, Liebste.«
    Sie antwortete nicht, nur ihre Augenlider flatterten.
    Er beschloss, die Blutmenge klein zu halten, denn ihr Körper war zart, und allzu viel Blut hatte sie nicht. Er legte eine Kompresse auf die Einstichstelle, wickelte einen Verband darum und schob den Arm zurück unter die Decke. An der Tür klopfte es.
    »Ich bin’s!«, rief der Magister.
    Vitus ging zur Tür und holte die Suppe und einen Krug Wasser. Der kleine Gelehrte hatte beides vor der Tür abgestellt.
    Arlette schlug die Augen auf. »Warum kommt der Magister nicht herein?«, flüsterte sie schwach.
    »Ach, weißt du, er muss noch ein paar Dinge erledigen. Hier, probier einmal von der Gemüsesuppe.«
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Aber du musst etwas essen. Nun komm!« Er hob ihr den Kopf an und flößte ihr etwas Suppe ein. Brav wie ein Kind schluckte sie die Flüssigkeit hinunter. Dann blickte sie ihn direkt aus ihren fiebrigen Augen an und murmelte:
    »Ich habe Angst um unser Kind. Das Fieber …«
    »Mach dir keine Sorgen, Liebste, äh … Kinder vertragen hohes Fieber viel besser als Erwachsene, das ist eine altbekannte Tatsache.«
    Sie nahm einen zweiten und noch einen dritten Löffel auf und ließ sich dann erschöpft in die Kissen zurückfallen. Unversehens begann sie wieder zu zittern. »Mir ist so kalt.«
    Sein Herz floss über vor Angst, Trauer und Zärtlichkeit, und ohne sich lange zu besinnen, entledigte er sich seiner Kleidung. Er schlüpfte zu ihr unter die Bettdecke, umfasste sie sanft und wärmte sie mit seinem Körper.
     
    »Wui, Magister, duften Zefir, ’s is ’n schöner Morgen. ’n Gruß von der Bratwachtel, un das wär für dich.« Der Zwerg kam zur Tür des Krankenzimmers getrippelt, wo der kleine Gelehrte getreulich Wache hielt. Er schwenkte einen halben Wurstring und einen Kanten weißes Brot in der Hand.
    »Von Mrs Melrose? Es geschehen noch Zeichen und Wunder.« Der Magister nahm die frugalen Speisen und legte sie neben seinem Schemel ab. »Gewöhnlich kann ich nicht behaupten, unter mangelndem Appetit zu leiden, aber im Augenblick will mir nichts so recht schmecken. Ist ja auch kein Wunder, wo es Arlette so schlecht geht.«
    »Is es mieser geworden?«
    »Tja, wenn ich das wüsste. Vitus kam irgendwann in der Nacht und verlangte nach neuen Bettlaken, wozu, wollte er nicht sagen. Er ist wie eine Auster. Aber wenn du mich fragst, sieht es nicht gut aus.« Der kleine Gelehrte schielte auf die Wurst, bei der es sich um eine leckere Sülzware handelte, und entschloss sich, doch hineinzubeißen. Kauend fuhr er fort: »Jedenfalls kann man nicht behaupten, dass ich mich in letzter Zeit der
gula
schuldig gemacht hätte.«
    Der Winzling setzte sich auf den Boden und blickte fragend auf.
    »Der Vielfresserei, einer der sieben Todsünden, die, laut unserer allein selig machenden Kirche, ohne Umwege in die Hölle führen.«
    »Wui, wui, hast alleweil den Speisfang leer.«
    »Zu den Sorgen um Arlette«, der Magister nahm einen weiteren Bissen, »kommt noch der allgegenwärtige Gestank nach verbranntem Holz. Mir will scheinen, dass die Flammen nur allzu gründlich arbeiten. Was nützt es, wenn sie alles Miasma vernichten, aber kein Jota Luft zum Atmen übrig bleibt!«
    »Wui, wui. ’s sin schlimme Jomme. ’ne Hand voll vom

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