Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
sie und warf einen Blick auf Gemba, der still und reglos auf dem Rappen saÃ.
»Das wird eine richtige Schlacht, kein netter Wettkampf«, sagte Takeo, der sie in irgendeiner Weise auf das vorbereiten wollte, was ihr bevorstand, auf den Irrsinn und den Blutdurst des Krieges. »Möglicherweise hast du keine andere Wahl.«
»Du musst Jato wieder nehmen, Vater. Du solltest nicht ohne das Schwert aufbrechen.«
Er nahm es dankbar an. Da das Schwert zu schwer für Shigeko war, hatte man ein besonderes Gestell dafür gebaut, das schon auf Tenbas Rücken, gleich vor dem Sattel lag. Das Schwert steckte noch in der Prunkhülle und sah prächtig aus. Takeo band die Seidenkordel des Kirin an den Halsriemen des Pferdes, und bevor er in den Sattel stieg, umarmte er Shigeko und betete insgeheim darum, sie möge unversehrt bleiben. Es war gegen Mittag und sehr heiÃ. Selbst hier im Gebirge war es schwül und windstill. Als Takeo den Zügel Tenbas mit der linken Hand ergriff, warf er einen Blick zum Himmel und sah, wie sich im Westen groÃe Gewitterwolken zusammenballten. Das Pferd warf den Kopf hin und her, um die Schwärme von Stechmücken zu verscheuchen.
Als er mit dem Kirin davonritt, merkte er, dass ihm jemand zu Fuà folgte. Er hatte den anderen befohlen dazubleiben, und er wandte sich im Sattel um, weil er seinen Verfolger zurückschicken wollte.
»Lord Otori!« Es war Mai, das Mutomädchen, Sadas Schwester.
Er hielt kurz an und sie trat neben das Pferd. Tenba drehte sich nach ihr um.
»Vielleicht kann ich Ihnen helfen«, sagte sie. »Nehmen Sie mich mit.«
»Bist du bewaffnet?«
Sie zog einen Dolch aus ihrem Gewand. »AuÃerdem habe ich Wurfmesser und eine Garrotte. Hat Lord Otori vor, die Unsichtbarkeit einzusetzen?«
Er nickte.
»Das könnte ich auch tun. Besteht das Ziel darin, die Männer ins Freie zu locken, damit sie von den Kriegern getötet werden können?«
»Sie werden ein Schlachtross und das Kirin sehen, die allem Anschein nach allein sind. Ich setze darauf, dass sie aus Neugierde und Besitzgier hervorkommen. Greif sie erst an, wenn sie im offenen Gelände sind und Sugita den Befehl zum SchieÃen gegeben hat. Wir müssen sie in Sicherheit wiegen. Wende dich der Seite zu, auf der weniger Männer sind, und töte so viele wie möglich. Je verwirrter sie sind, desto besser für uns.«
Sie lächelte leise. »Danke, Lord. Jeder Tote wird ein Trost für den Mord an meiner Schwester sein.«
Nun führe ich doch wieder Krieg , dachte er mit Bedauern, als er Tenba antrieb und sich unsichtbar machte.
Der Pfad wurde steiler und felsiger, doch kurz vor dem Pass war er ein wenig ebener und breiter. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, hatte aber bereits ihren Abstieg im Westen begonnen und die Schatten wurden länger. Zu beiden Seiten erhoben sich die Gebirgszüge aus dem dichten Wald und erstreckten sich in die Ferne. Von Wolken verhüllt, lagen die Drei Länder vor Takeo. In der Ferne zuckten Blitze und er konnte Donner hören. Bei seinem Klang warf Tenba den Kopf hoch und zitterte. Das Kirin schritt so ruhig und anmutig dahin wie immer.
Takeo vernahm die fernen Schreie von Milanen und das Schlagen von Flügeln, das Knarren uralter Bäume, weit entferntes Wassertröpfeln. Beim Einritt in das Tal hörte er Geflüster und leises Rascheln, als Männer ihre Position veränderten, das Seufzen, mit dem Bogensehnen gespannt wurden, und â noch unheimlicher â das Klopfen, als man Feuerwaffen mit Pulver lud.
Einen Augenblick lang stockte ihm das Blut in den Adern. Er hatte keine Angst vor dem Tod, denn dieser hatte ihn schon oft genug gestreift. AuÃerdem hatte er sich selbst davon überzeugt, nur von seinem Sohn getötet werden zu können. Doch nun keimte eine bislang ungekannte Furcht vor der Kugel in ihm auf, die aus der Ferne tötete, der Eisenkugel, die mit grober Gewalt Fleisch und Knochen durchschlug. Wenn ich sterben muss, dann bitte durch das Schwert, betete er, als wieder der Donner grollte, obwohl es nur gerecht wäre, wenn ich durch eine Feuerwaffe stürbe, denn ich habe sie eingeführt und weiterentwickeln lassen.
Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals auf einem Pferd die Unsichtbarkeit eingesetzt zu haben, denn normalerweise trennte er seine Künste als Krieger immer von seinen Stammesfähigkeiten. Er lieà den Zügel auf den
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