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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Nacken des Pferdes fallen und zog die Füße aus den Steigbügeln, um den Anschein zu erwecken, als hätte das Pferd keinen Reiter. Er fragte sich, was die Männer dachten, die das Pferd und das Kirin durch dasTal laufen sahen. Wirkte es wie eine Szene aus einem Traum oder wie eine lebendig gewordene, alte Sage? Der Rappe mit dem Schwert an der Flanke und mit Mähne und Schweif, die genauso hell glänzten wie der verzierte Sattel, und das Kirin, groß und fremdartig, mit dem langen Hals und dem seltsam gemusterten Fell.
    Er hörte, wie ein Pfeil abgeschossen wurde. Auch Tenba hörte es und scheute. Takeo hielt das Gleichgewicht, als ihn die plötzliche Bewegung zur Seite riss. Er wollte nicht fallen wie Kono, und er wollte auch nicht aus Unkonzentriertheit seine Unsichtbarkeit verlieren. Er verlangsamte den Atem und passte seinen Körper den Bewegungen des Pferdes an, als wäre er eins mit ihm.
    Der Pfeil landete einige Meter vor ihm. Man hatte nicht direkt auf die Tiere gezielt, sondern nur ihre Reaktion testen wollen. Takeo ließ Tenba kurz tänzeln und drückte ihm dann sanft die Beine in die Flanken, um ihn wieder anzutreiben. Er war dankbar für den Gehorsam des Pferdes und das Band, das zwischen ihnen bestand. Das Kirin folgte ihnen brav.
    Rechts, auf der nördlichen Seite des Tals, erklang ein Ruf. Tenba drehte die gespitzten Ohren in die Richtung des Geräusches. Auf der südlichen Seite rief ein anderer Mann zur Antwort. Tenba begann zu traben und das Kirin setzte neben ihm zu seinem schwankenden Lauf an.
    Einer nach dem anderen erschienen die Soldaten. Sie kamen aus ihren Verstecken und liefen ins Tal. Sie waren nur leicht bewaffnet, um beweglich zu bleiben und schnell in Deckung gehen zu können, was ihnen in voller Rüstung nicht möglich gewesen wäre. Sie hattengehofft, die Sache rasch aus dem Hinterhalt erledigen zu können. Die meisten waren mit einem Bogen bewaffnet, doch manche hatten eine Feuerwaffe, die sie jetzt ablegten.
    Tenba schnaubte, als bedrohte ihn ein Wolfsrudel, und fiel in leichten Galopp. Daraufhin erschienen noch mehr Männer, die zum Ende des Tales rannten, um die Tiere abzufangen. Takeo spürte, wie das Gelände abzufallen begann: Sie hatten den höchsten Punkt überschritten und auf einmal hatte er freie Sicht. Er konnte die Ebene erkennen, auf der Kaheis Armee wartete.
    Ringsumher ertönten Rufe, denn die Soldaten vergaßen ihren Vorsatz, in Deckung zu bleiben, und liefen um die Wette, weil jeder als Erster den Zügel ergreifen und das Tier für sich beanspruchen wollte. Fünf oder sechs Reiter tauchten vor Takeo in einer Lücke zwischen den Felsen auf. Tenba lief jetzt im vollen Galopp. Er schlug Haken wie ein Hengst, der eine Herde Stuten zusammenhält, bleckte die Zähne und war bereit zu beißen. Das Kirin schien über die Erde zu schweben, so lang waren seine Schritte. Takeo hörte, wie ein zweiter Pfeil an ihm vorbeisauste, und er ließ sich flach auf den Hals des Pferdes fallen, hielt sich an der üppigen Mähne fest und sah, wie der erste Soldat mit einem Pfeil in der Brust zu Boden ging. Hinter ihm ertönte das Trommeln von Pferdehufen, als seine eigenen Männer in das Tal preschten.
    Die Luft war vom furchtbaren, an Flügelschläge erinnernden Sausen der Pfeile erfüllt. Die Soldaten begriffen zu spät, dass sie in der Falle saßen, und wollten zuden Felsen zurückrennen, um Deckung zu suchen. Einer fiel sofort, ein sternförmiges Messer in den Augen, was die nächsten Männer lange genug aufhielt, um von einer neuen Salve von Pfeilen niedergestreckt zu werden. Entweder waren Tenba und das Kirin gerade außer Reichweite, oder seine Bogenschützen zielten glänzend, denn obwohl Takeo ringsumher das Klacken von Pfeilschäften hörte, wurden die Tiere nicht getroffen.
    Vor ihm standen die Reiter mit gezogenen Schwertern. Er tastete nach den Steigbügeln, schob die Füße hinein, spannte alle Muskeln an und zog Jato mit der linken Hand. In dem Augenblick, als er das Schwert nach links schwang, ließ er sich wieder sichtbar werden und holte den ersten Reiter mit einem Schlag vom Pferd, der Hals und Brust aufschlitzte. Er warf sein Gewicht im Sattel nach hinten, um Tenba zu verlangsamen, und kappte gleichzeitig die Kordel, die Pferd und Kirin miteinander verband. Das Kirin rannte ungelenk weiter, während Tenba, dem bewusst zu werden schien, zu

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