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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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mehr. Und diesen schmerzhaften Verlust hat sie auch nicht erwähnt. Vielleicht hatte sie zu dem Zeitpunkt noch nichts davon erfahren.«
    Das bedrückte Takeo noch mehr, denn er hatte erwartet, Briefe von ihr vorzufinden, die von der Lage im Mittleren Land und im Westen berichteten und natürlich über ihr Befinden und das des Kindes.
    Â»Von meiner Frau habe ich auch nichts gehört. Wir haben zwar Botschaften aus Inuyama bekommen, aber nichts aus dem Mittleren Land.«
    Beide Männer schwiegen einen Moment und gedachten ihres fernen Zuhauses und ihrer Kinder.
    Â»Nun, schlechte Neuigkeiten reisen schneller als gute, wie man so sagt«, meinte Kahei und verdrängte seineSorgen wie üblich durch Aktivität. »Ich führe dir lieber unsere Armee vor.«
    Kahei hatte seine Truppen schon zur Schlacht formiert: Die Hauptstreitkräfte waren auf der westlichen Seite der Ebene in Stellung gegangen und außerdem gab es eine Flanke am nördlichen Rand, die von einem niedrigen Bergausläufer gedeckt wurde. Dort hatte er die Soldaten mit Feuerwaffen und zusätzliche Bogenschützen postiert.
    Â»Das Wetter schlägt um«, sagte er. »Wenn es zu nass ist, um Feuerwaffen einzusetzen, verlieren wir unseren größten Vorteil.«
    Takeo folgte ihm in den hellen, mittsommerlichen Abend, um die Stellungen zu inspizieren. Wachen trugen qualmende Grasfackeln. Der weiße Mond war fast voll, aber dunkle Wolkenfetzen zogen über den Himmel und im Westen zuckten Blitze. Gemba saß unter einer kleinen Zypresse beim Teich, aus dem sie sich mit Wasser versorgten. Er hatte die Augen geschlossen und schien von der hektischen Aktivität im Feldlager nichts mitzubekommen.
    Â»Vielleicht kann dein Bruder den Regen weiter aufhalten«, sagte Takeo, um sich selbst und Kahei Mut zu machen.
    Â»Ob Regen oder nicht – wir müssen jederzeit mit einem Angriff rechnen«, erwiderte Kahei. »Du hast heute schon eine Schlacht geschlagen. Ich werde Wache halten, während du und deine Gefährten ein wenig schlaft.«
    Da er sich schon seit dem fünften Monat im Feldlager aufhielt, hatte Kahei für gewisse Annehmlichkeiten gesorgt: Takeo wusch sich mit kaltem Wasser, aß einige Bissen und streckte sich dann unter den seidenen Bahnen des Zeltes aus. Er schlief sofort ein und träumte von Kaede.
    Sie befanden sich in der Herberge in Tsuwano und es war der Abend ihrer Verlobung mit Shigeru. Er hatte sie vor Augen, wie sie mit fünfzehn ausgesehen hatte, ohne Falten, ihr Hals frei von Narben, ihr Haar wie eine seidige schwarze Flut. Der Lampenschein flackerte zwischen ihnen, als sie seine Hände betrachtete und schließlich zu ihm aufsah. In seinem Traum war sie sowohl Shigerus Verlobte als auch seine Frau. Er gab ihr die Hochzeitsgeschenke und zog sie im gleichen Moment zu sich heran.
    Als er ihre geliebte Gestalt im Arm hatte, hörte er das Knistern von Flammen und merkte, dass er in seiner Eile die Lampe umgestoßen hatte. Das Zimmer brannte lichterloh und das Feuer raste über Shigeru hinweg, über Naomi, Kenji …
    Als er erwachte, hatte er einen Brandgeruch in der Nase. Der Regen prasselte in das Zelt und Blitze erhellten das Feldlager mit ihrem plötzlichen, unirdischen Licht. Am Himmel krachte der Donner.

KAPITEL 45

    Nachdem Takeo die Seidenkordel durchtrennt hatte, war das Kirin weiter blindlings durch das Tal gerannt, doch da ihm der felsige Grund unangenehm war, wurde es langsamer und begann zu humpeln. Es floh erschrocken vor dem Lärm, der hinter ihm ertönte, doch vor ihm befanden sich fremdartige Gerüche und unbekannte Menschen und Tiere. Da es wusste, dass die ihm vertrauten Menschen und sein liebstes Pferd zurückgeblieben waren, wartete es wie üblich gehorsam und geduldig, bis sie kamen.
    Shigeko und Gemba fanden das Kirin und brachten es in das Feldlager. Shigeko war gedämpfter Stimmung. Sie schwieg, als sie Ashige den Sattel abnahm und ihn am Kopfriemen mit dem Spalier der anderen Pferde verband. Dann kümmerte sie sich um das Kirin, während Gemba loszog, um trockenes Gras und Wasser zu holen.
    Sie wurden von Soldaten aus dem Feldlager umringt, die um Informationen bettelten und viele Fragen zum Scharmützel sowie zu Saga Hideki und seinen Truppen hatten. Sie taten so, als könnte die Schlacht jeden Augenblick beginnen, doch Gemba wimmelte sie ab, indem er sagte, zuerst müsse Kahei informiert werden und im

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