Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
nach einem weiteren tiefen Schluck Wein fuhr der Arzt fort: »Lord Otoris Fall ist natürlich einigermaßen faszinierend, jedenfalls für jemanden wie mich, den die Funktionsweise des menschlichen Geistes interessiert.«
    Er verstummte, trank wieder einen tiefen Schluck, beugte sich dann vor und sagte vertraulich: »Lord Otori glaubt, niemand könne ihn töten – er hat sich selbst für unsterblich erklärt.«
    Â»Wirklich?«, murmelte Kono. »Das klingt ein bisschen zu großartig. Ist das nicht nur Einbildung?«
    Â»In gewisser Weise ja. Eine sehr nützliche Einbildung. Es gab da eine Prophezeiung – Taku, Sie waren doch dabei, als Ihr armer Onkel …«
    Â»Das weiß ich nicht mehr«, sagte Taku hastig. »Chikara, wie findest du es, eine Seereise mit dem Kirin zu machen?«
    Chikara, überrascht, von seinem Onkel angesprochen zu werden, musste schlucken, und bevor er antworten konnte, fragte Zenko: »Welche Prophezeiung?«
    Â»Dass Lord Otori nur durch die Hand seines eigenen Sohnes sterben kann.« Ishida trank wieder. »Wie bin ich darauf gekommen? Ach ja – die Wirkung starken Glaubens auf den Körper. Er glaubt, nicht getötet werden zu können, und daher gesundet sein Körper immer wieder.«
    Â»Faszinierend«, sagte Kono sanft. »Offenbar hat Lord Otori viele Anschläge überlebt. Kennen Sie ähnliche Fälle?«
    Â»Ja, durchaus«, sagte Ishida. »Auf meinen Reisendurch Tenjiku bin ich heiligen Männern begegnet, die durch ein Feuer laufen können, ohne sich zu verbrennen, und die auf Nagelbetten liegen, ohne dass ihre Haut verletzt wird.«
    Â»Hast du das gewusst, Bruder?«, fragte Zenko leise, während Kono Ishida drängte, weitere Reisegeschichten zum Besten zu geben.
    Â»Ein gängiger Aberglaube, nichts weiter«, sagte Taku leichthin, wünschte dem betrunkenen Ishida aber insgeheim die Pest an den Hals. »Die Otorifamilie ist der Gegenstand ständiger Gerüchte und Mutmaßungen.«
    Â»Meine Schwester war das Opfer eines solchen Gerüchtes«, sagte Hana. »Angeblich brachte sie jedem Mann den Tod, der sie begehrte, doch Lord Otori hat diese Gefahr unbeschadet überstanden. Dem Himmel sei Dank«, fügte sie mit einem Blick auf Taku hinzu.
    Das darauf folgende Lachen klang etwas beklommen, denn mehr als einer der Anwesenden erinnerte sich daran, dass Lord Fujiwara Kaede gegen ihren Willen geheiratet und dies nicht überlebt hatte.
    Â»Und doch weiß jeder über die fünf Schlachten Bescheid«, fuhr Zenko fort. »Und das Erdbeben – ›Die Erde vollbringt, was der Himmel begehrt‹.« Er bemerkte Konos verdutzten Blick und erklärte: »Eine heilige Frau hatte etwas prophezeit, das durch Lord Otoris Siege im Krieg bewahrheitet wurde. Das Erdbeben wurde als Zeichen dafür angesehen, dass der Himmel ihm wohlgesinnt war.«
    Â»Ja, das hat er mir erzählt«, sagte Kono mit spöttischem Unterton. »Ziemlich bequem für den Sieger, eineso nützliche Prophezeiung zur Hand zu haben.« Er trank und sagte dann mit ernsterer Stimme: »In der Hauptstadt betrachtet man ein Erdbeben als eine Strafe für böse Taten, nicht als Belohnung.«
    Taku wusste nicht, ob er Kono enthüllen sollte, wem seine Treue gehörte, oder besser den Mund hielte, um den Eindruck zu erwecken, einer Meinung mit seinem Bruder zu sein. Er wurde von Ishida gerettet, der tief bewegt sagte: »Das Erdbeben hat mir das Leben gerettet. Und das meiner Frau. Meiner Meinung nach sind die Bösen damit bestraft worden.«
    Tränen traten ihm in die Augen und er wischte sie mit dem Ärmel weg. »Vergeben Sie mir, ich wollte nicht das Gedächtnis Ihrer Väter beleidigen.« Er wandte sich an Hana. »Ich sollte besser gehen. Ich bin sehr müde. Ich hoffe, Sie entschuldigen einen alten Mann.«
    Â»Natürlich, Vater«, sagte sie höflich, da er der Stiefvater ihres Mannes war. »Chikara, bring Großvater zu seinem Zimmer und sag den Dienerinnen, dass sie ihm helfen sollen.«
    Â»Ich fürchte, er hat ein bisschen zu viel getrunken«, sagte sie entschuldigend zu Kono, nachdem der Junge dem Arzt auf die Beine geholfen hatte und die beiden gegangen waren.
    Â»Er ist ein sehr interessanter Mann. Wie schade, dass er nach Hagi reist. Ich hätte mich gern weiter mit ihm unterhalten. Er hat meinen Vater wohl besser

Weitere Kostenlose Bücher