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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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jeden Glauben zu achten, dich aber niemals einem anzuschließen, denn das ist der einzige Weg für eine echte Herrscherin.«
    Shigeko dachte kurz über diese Worte nach und sagte dann: »Darf ich dich etwas fragen?«
    Â»Natürlich. Du darfst mich jederzeit alles fragen. Ich will nichts vor dir verbergen.«
    Â»Laut der Prophezeiung ist deine Herrschaft vom Himmel verfügt und gesegnet. Die Houou nisten wieder in den Drei Ländern. Wir besitzen sogar ein Kirin – eines der Symbole eines großen und gerechten Herrschers. Glaubst du an all das?«
    Â»Ich glaube an all das und ich glaube an gar nichts«, antwortete Takeo. »Offenbar halte ich mein Leben zwischen beidem in der Schwebe. Ich bin dem Himmel dankbar für alles, was er mir geschenkt hat, aber ich werde niemals irgendetwas davon als selbstverständlich ansehen und meine Macht, wie ich hoffe, auch nie missbrauchen.
    Alte Männer werden Narren«, fügte er unbekümmert hinzu. »Wenn das passiert, musst du mich zum Abdanken bewegen. Aber wie gesagt: Ich rechne nicht damit, sehr alt zu werden.«
    Â»Ich möchte, dass du niemals stirbst!«, rief Shigeko aus, die plötzlich voller Angst war.
    Â»Ich werde glücklich sterben, weil ich alles in guten Händen weiß«, erwiderte er lächelnd. Doch sie wusste, dass sich hinter seinem Lächeln viele Sorgen verbargen.
    Einige Tage später überquerten sie die Brücke bei Kibi und Takeo gedachte gemeinsam mit Gemba der Vergangenheit: der Flucht im Regen aus Terayama, der Hilfe durch Jo-An und die Ausgestoßenen und des Todes von Jin-emon, dem Unhold. Der Schrein am Ufer war dem Fuchsgott geweiht, aber durch einen seltsamen Irrweg des Glaubens setzte man diese Gottheit inzwischen mit Jo-An gleich, den man hier nun auch verehrte.
    Â»Damals hat Amano Tenzo mir Shun geschenkt«, sagte Takeo. Er klopfte dem Rappen, den er ritt, auf den Hals. »Dieser Bursche hier ist in Ordnung, aber ich weiß noch, wie sehr Shun mich in unserem ersten gemeinsamen Kampf erstaunt hat. Er hatte mehr Ahnung davon als ich!«
    Â»Inzwischen dürfte er tot sein, oder?«, fragte Gemba.
    Â»Ja, er ist vor zwei Jahren gestorben. Ein solches Pferd habe ich seither nie mehr gesehen. Wusstest du, dass er Takeshis Pferd war? Mori Hiroki hat ihn wiedererkannt.«
    Â»Das wusste ich nicht«, antwortete Gemba.
    Shigeko hingegen hatte dies schon immer gewusst, denn es war eine der Legenden, mit denen sie aufgewachsen war. Der Braune war von Lord Takeshi, Shigerus jüngerem Bruder, zugeritten und nach Yamagata mitgenommen worden. Takeshi war von Soldaten der Tohan ermordet worden und das Pferd war verschwunden gewesen, bis Amano Tenzo es gekauft und Takeo geschenkt hatte. Sie dachte voller Freude an das Geschenk, das sie ihrem Vater machen wollte und das, wie sie hoffte, bereits nach Maruyama unterwegs war, denn sie wollte ihn bei der bevorstehenden Zeremonie damit überraschen.
    Als sie an all die Legenden und wundersamen Tiere dachte, kam ihr eine Idee. Sie fand sie so großartig, dass sie sie gleich verkünden musste.
    Â»Vater, lass uns das Kirin als Geschenk für den Kaiser mitnehmen, wenn wir nächstes Jahr nach Miyako reisen.«
    Gemba lachte laut auf. »Das wäre ein unvergleichliches Geschenk! So etwas hat man in der Hauptstadt mit Sicherheit noch nie zu Gesicht bekommen!«
    Takeo drehte sich im Sattel um und sah Shigeko an. »Das ist eine wunderbare Idee. Aber das Kirin habe ich dir geschenkt. Ich möchte es nicht zurückfordern. Und schafft es eine so lange Reise?«
    Â»Schiffsreisen hat es gut überstanden. Ich könnte es nach Akashi bringen. Vielleicht in Begleitung von Lord Gemba oder Lord Hiroshi.«
    Â»Der Kaiser und sein Hof werden von einem solchen Geschenk geblendet sein«, sagte Gemba, dessen volle Wangen vor Vergnügen glühten. »Und der Anblick Lady Shigekos wird Lord Saga entwaffnen.«
    Shigeko, die durch das friedliche, herbstliche Land zu jener Domäne ritt, die bald ihr gehören und wo sie Hiroshi wiedersehen würde, hatte das Gefühl, als hätten sie tatsächlich den Segen des Himmels und als würde der Weg des Houou, der Weg des Friedens, am Ende den Sieg davontragen.

KAPITEL 22

    Nach Muto Kenjis Tod warf man seinen Leichnam in eine Grube und füllte sie mit Erde auf. Die Stelle war nicht gekennzeichnet, aber Hisao fand sie problemlos wieder, weil seine Mutter seine

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