Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Menschenseelen ernährten.
Sunaomi schluckte heftig und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das seine Arme und Beine zu überkommen drohte. Ich bin Arai Sunaomi , sagte er zu sichselbst, Sohn Zenkos, Enkelsohn Daiichis. Ich fürchte mich vor nichts .
Er zwang sich, aufzustehen und weiterzugehen, obwohl seine Beine schwer wie Baumstämme waren und er dringend pinkeln musste. Er konnte undeutlich die Gartenmauer und das geschwungene Dach dahinter erkennen. Das Tor stand offen. Die Mauer war halb zerfallen.
Als er durch das Tor trat, lief er direkt in das Netz einer Sommerspinne, und die Fäden klebten ihm im Gesicht und im Haar. Sein Atem ging schneller, doch er befahl sich: Ich weine nicht, ich weine nicht , obwohl er spürte, dass der Druck hinter seinen Augen und in seiner Blase stärker wurde.
Das Haus schien ganz dunkel zu sein. Irgendetwas huschte über die Veranda, vielleicht eine Katze oder eine groÃe Ratte. Er streckte die Arme aus, als er dem Duft um das Haus und in den Garten dahinter folgte. Die Katze â es musste eine Katze gewesen sein â schrie plötzlich aus der Dunkelheit.
Er konnte die Blüten sehen, ein schwacher Schimmer, das Einzige, was im Dunkel zu erkennen war. Er ging darauf zu, eilig jetzt, denn er wollte schnell einen Zweig pflücken und dann sofort die Flucht ergreifen, stolperte aber über einen Stein, fiel der Länge nach hin und hatte den Mund voller Erde. Ihr Geruch und ihr Geschmack lieÃen ihn an Gräber und Tote und daran denken, dass auch er bald unter der Erde liegen könnte, und dann wäre dieser Geschmack sein letzter Eindruck vom Leben.
SchlieÃlich stemmte er sich hoch und spuckte die Erde aus. Dann stand er auf und riss einen Zweig ab. Der Busch verströmte sofort einen starken Geruch nach Pflanzensaft und Sunaomi hörte Schritte hinter sich auf der Veranda.
Als er herumfuhr, war er vom Licht geblendet. Er konnte nur eine unförmige Gestalt erkennen, die einer Frau, die aussah, als hätte sie sich gerade aus ihrem Grab gewühlt. Schatten huschten über sie hinweg und sie streckte die Arme nach ihm aus. Die Lampe hob sich ein Stückchen und der Lichtschein fiel auf ihr Gesicht. Sie hatte weder Augen noch Mund noch Nase.
Sunaomi verlor die Beherrschung. Er schrie. Die Flüssigkeit bahnte sich ihren Weg, lief ihm die Beine hinunter. Er warf den Zweig weg.
»Verzeihen Sie mir, Lady Akane. Verzeihen Sie mir. Tun Sie mir bitte nicht weh. Begraben Sie mich nicht!«
»Ja, um Himmels willen!«, rief jemand, es war eine menschliche Stimme, eine Männerstimme. »Was hast du denn um diese Nachtzeit hier zu suchen?«
Doch Sunaomi brachte keine Antwort hervor.
Taro, der sich angewöhnt hatte, während seiner Arbeit an der Statue in Akanes Haus zu schlafen, trug den Jungen sofort zurück ins Schloss. Sunaomi war nicht verletzt, sondern nur tief verängstigt, was er am nächsten Morgen allerdings nicht mehr zugeben mochte. Doch er hatte eine Wunde im Herzen davongetragen, und obwohl sie verheilte, hinterlieà sie eine Narbe tiefsten Hasses auf Maya und Miki. Von da an dachte Sunaomiimmer öfter über den Tod seines GroÃvaters und alles Beleidigende nach, das der Clan der Otori den Arai angetan hatte. In seiner Kindsköpfigkeit suchte er nach Möglichkeiten, Maya und Miki zu verletzen. Er begann, sich bei den Frauen des Haushalts lieb Kind zu machen, bezirzte und erfreute sie. Die meisten von ihnen himmelten kleine Jungen sowieso an, und er war hübsch und gewinnend. Sunaomi vermisste seine Mutter, wusste aber instinktiv, dass er im Herzen seiner Tante Kaede einen groÃen Platz einnehmen konnte, einen viel gröÃeren, als ihn die Zwillinge innehatten.
Dieses Ereignis beunruhigte und verärgerte Takeo und Kaede, denn wenn Sunaomi unter ihrer Obhut ums Leben gekommen oder schwer verletzt worden wäre, hätte dies ihre Strategie zur Beschwichtigung und Zügelung ihres Schwagers zunichtegemacht, ganz abgesehen von ihrer Trauer, denn beide hatten den Jungen sehr lieb gewonnen. Takeo selbst schalt Sunaomi wegen seines Ungehorsams und seiner Leichtsinnigkeit und befragte ihn nach den genauen Gründen für seine Tat, weil er argwöhnte, dass der Junge nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hatte. Es dauerte nicht lange, bis die Wahrheit herauskam, und danach musste Maya den Zorn ihres Vaters über sich ergehen lassen.
Diesmal machte er sich gröÃere
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