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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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widersinnigerweise sehr und empfand diesen Verlust als weitere Bresche in der Verteidigung der Drei Länder, durch die nach Anbruch desWinters der Wind heulen und der Wolf schlüpfen konnte.
    Makoto wurde als neuer Abt eingesetzt und nahm den Namen Eikan an, doch Takeo benutzte in Gedanken weiter den früheren Namen seines alten Freundes. Und als sie nach dem Ende der Zeremonie nach Yamagata abreisten, tröstete ihn der Gedanke, dass Makoto ihn weiter unterstützte. Er dachte wieder voller Sehnsucht an die Zeit, in der er sich endlich nach Terayama zurückziehen und seine Tage mit Meditation und Malen verbringen konnte.
    Gemba begleitete ihn nach Yamagata, wo Takeo sofort von diversen Verwaltungsangelegenheiten in Anspruch genommen wurde. Shigeko nahm an den meisten Treffen teil, stand aber jeden Morgen in aller Frühe auf, um gemeinsam mit Gemba das Reiten und Bogenschießen zu üben.
    In der ersten Woche des zehnten Monats, kurz vor ihrem Aufbruch nach Maruyama, trafen Briefe aus Hagi ein. Takeo las sie begierig und teilte die Neuigkeiten gleich seiner ältesten Tochter mit.
    Â»Deine Mutter ist mit den Jungen in Lord Shigerus altes Haus gezogen. Und sie hat begonnen, die Sprache der Fremden zu lernen.«
    Â»Von der Dolmetscherin?« Shigeko hätte von ihrem Vater gern noch mehr erfahren, aber außer Minoru waren noch Diener aus dem Miyoshihaushalt anwesend, und Jun und Shin waren wie üblich in Hörweite, wenn auch draußen. Doch als sie später durch die Gärten gingen, waren sie miteinander allein.
    Â»Erzähl mir bitte mehr von den Fremden«, sagte sie. »Sollte man ihnen erlauben, in Maruyama Handel zu treiben?«
    Â»Ich möchte, dass sie sich dort aufhalten, wo man sie die ganze Zeit im Auge behalten kann«, antwortete Takeo. »Sie bleiben den Winter über in Hagi. Wir müssen so viel wie möglich über ihre Sprache, ihre Sitten und ihre Absichten in Erfahrung bringen.«
    Â»Aber ihre Dolmetscherin … Sie hat dich so komisch angeschaut, fast so, als würde sie dich gut kennen.«
    Takeo zögerte kurz. Im stillen Garten fielen die Blätter und bedeckten die Erde mit einem Teppich aus Gold. Es war später Nachmittag und über dem Schlossgraben stieg Nebel auf, der sich mit dem Rauch der Holzfeuer vermischte und alle Dinge verschwimmen ließ.
    Â»Außer deiner Mutter weiß niemand, wer sie ist«, sagte er schließlich. »Ich verrate es dir, aber behalte es unbedingt für dich. Sie heißt Madaren, ein häufiger Name in der Sekte, die man die Verborgenen nennt. In vieler Hinsicht ähnelt ihr Glaube dem der Fremden und früher wurden sie von den Tohan massiv verfolgt. Man hat ihre ganze Familie getötet, außer ihrem älteren Bruder, der von Lord Shigeru gerettet wurde.«
    Shigeko machte große Augen, ihr Herz schlug schneller. Ihr Vater lächelte.
    Â»Ja, das war ich. Damals hieß ich Tomasu, aber Shigeru hat mich in Takeo umbenannt. Madaren ist meine jüngere Schwester. Wir hatten dieselbe Mutter, aber nicht denselben Vater – wie du weißt, gehörte mein Vater zum Stamm. Ich hatte sie all die Jahre für tot gehalten.«
    Â»Wie ungewöhnlich«, sagte Shigeko, die wie üblich sofort Mitgefühl zeigte. »Sie hat bestimmt ein schreckliches Leben gehabt.«
    Â»Sie hat überlebt, hat eine Fremdsprache gelernt, hat jede Gelegenheit genutzt, die sich ihr bot«, erwiderte Takeo. »Sie hat sich besser durchgeschlagen als viele andere. Inzwischen steht sie bis zu einem gewissen Grad unter meinem Schutz und hat die Erlaubnis, meine Frau zu unterrichten.« Nach kurzem Schweigen fügte er hinzu: »In Maruyama hat es von jeher viele Verborgene gegeben. Lady Naomi hat ihnen Schutz und Bleibe gewährt, ja, sie hat sogar zu ihnen gehört. Du wirst Bekanntschaft mit ihren Anführern schließen müssen. Jo-An war natürlich auch ein Gläubiger, und viele ehemalige Ausgestoßene leben immer noch in den Weilern vor der Stadt.«
    Shigeko sah, wie seine Miene sich verdüsterte, und wollte das Thema nicht weiter vertiefen, das so viele schmerzhafte Erinnerungen in ihm weckte.
    Â»Ich werde vermutlich nicht einmal halb so alt werden wie Matsuda«, fuhr Takeo voller Ernst fort. »In Zukunft wirst du für die Sicherheit dieser Menschen verantwortlich sein. Aber traue weder den Fremden noch Madaren, obwohl sie mit dir verwandt ist. Und vergiss nicht,

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