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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Er reagiert auf eine Bedrohung. Wir müssen bei seinem Sturz mithelfen. Wir können uns nicht so lange verstecken, bis uns jemand anderer die Nachricht von seinem Tod überbringt.«
    Â»Es gibt Anzeichen von Schwäche«, pflichtete Kazuo bei. »Botschaften an den Kaiser, die Tatsache, dass Gosaburos Kinder noch am Leben sind … Früher hat er nie gezögert, die Kikuta zu töten.«
    Â»Muto Kenji hat uns aufgestöbert«, sagte Akio nachdenklich. »Takeo weiß bestimmt, wo wir sind. Kaum zu glauben, dass er oder Taku den Tod Kenjis ungesühnt lassen, es sei denn, sie hätten Dringenderes zu tun.«
    Â»Du musst dich wieder auf den Weg machen«, sagte Kazuo. »In Akashi gibt es viele Kikutafamilien, ja sogar in den Drei Ländern leben hier und da noch einige. Sie brauchen Führung und sie werden dir folgen, wenn du persönlich erscheinst.«
    Â»Dann werden wir zuerst nach Akashi reisen«, sagte Akio.
    Als Hisao ein Kind gewesen war, hatte ihm sein Vater einige der Künste fahrender Schauspieler beigebracht, die die Kikuta beherrschten – das Trommelspiel, dasJonglieren, das Singen jener alten Balladen, die die Menschen auf dem Land so gern hörten, Balladen von alten Kriegen, Fehden, Verrat und Rache – und von denen sie auf ihren Reisen durch die Drei Länder immer Gebrauch machten. In der Woche nach Kazuos Rückkehr begann Akio wieder, das Jonglieren zu üben. Man fertigte einen großen Vorrat von Strohsandalen an, getrocknete Datteln und Kastanien wurden gesammelt und eingepackt, Amulette hervorgeholt und entstaubt, Waffen geschärft.
    Hisao war nicht gerade ein begnadeter Darsteller, dazu war er zu schüchtern und lenkte zu ungern die Aufmerksamkeit auf sich, doch durch Akios Mischung von Streicheleinheiten und Prügeln war er einigermaßen geschickt geworden. Er beherrschte die üblichen Jongliertricks und machte nur selten einen Fehler, und er kannte auch die Texte der Lieder, obwohl sich die Leute beschwerten, weil er nuschelte und nicht gut zu verstehen war. Die Vorstellung, auf Reisen zu gehen, erfüllte ihn sowohl mit Vorfreude als auch mit Furcht. Er freute sich darauf, unterwegs zu sein, das Dorf zu verlassen, Neues zu sehen, aber die Vorstellung, auftreten zu müssen und das Grab seines Großvaters im Stich zu lassen, gefiel ihm nicht besonders.
    Gosaburo hatte Kazuos Neuigkeiten freudig aufgenommen und ihn genau befragt. Er hatte nicht sofort mit Akio darüber gesprochen, doch am Abend vor dessen Aufbruch, als Hisao sich zum Schlafengehen fertig machte, kam er an die Tür des Zimmers und bat Akio um eine Unterredung unter vier Augen.
    Akio war halb ausgezogen und Hisao sah im Dämmerlicht der Lampe, dass er grimmig das Gesicht verzog. Doch er nickte nur und Gosaburo betrat das Zimmer, schob die Tür hinter sich zu und kniete sich nervös auf die Matten.
    Â»Neffe«, sagte er, als wollte er sich der Autorität seines Alters versichern. »Es ist jetzt sicherlich an der Zeit, mit den Otori zu verhandeln. Die Drei Länder werden immer reicher und wohlhabender, während wir hier im Gebirge schmoren, kaum genug zu essen und einen weiteren bitterkalten Winter vor uns haben. Auch wir könnten blühen und gedeihen – wir könnten unseren Einfluss durch Handel erweitern. Gib die Blutfehde auf.«
    Akio sagte: »Niemals.«
    Gosaburo holte tief Luft. »Ich kehre nach Matsue zurück. Morgen früh breche ich auf.«
    Â»Niemand verlässt die Kikutafamilie«, erinnerte ihn Akio tonlos.
    Â»Aber hier gehe ich ein. Wie alle hier. Otori hat das Leben meiner Kinder verschont. Wir sollten den Waffenstillstand akzeptieren, den er uns angeboten hat. Ich werde dir weiter treu ergeben sein. Ich werde wie immer in Matsue für dich arbeiten, Geld beschaffen, über alles Buch führen …«
    Â»Sobald Takeo – und auch Taku – tot sind, werden wir über einen Waffenstillstand verhandeln«, entgegnete Akio. »Und nun verschwinde. Ich bin müde und du widerst mich an.«
    Als Gosaburo gegangen war, dimmte Akio die Lampe. Hisao hatte sich schon auf die Matratze gelegt. DieNacht war mild und er hatte sich nicht zugedeckt. Hinter seinen Augenlidern tanzten kleine Lichter. Er dachte kurz an seine Großcousins und fragte sich, auf welche Weise sie in Inuyama sterben würden, lauschte aber hauptsächlich auf Akios Bewegungen. Jede einzelne seiner

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