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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Sorgen um sie, denn sie zeigte keine Reue und ihr Blick war so wild und unnachgiebig wie der eines Tieres. Sie weinte selbst dann nicht, als Kaede ihrem Missfallen Ausdruck verlieh und ihr einige saftige Ohrfeigen gab.
    Â»Sie ist nicht mehr bei Sinnen«, sagte Kaede mit Tränen der Verzweiflung in den Augen. »Sie kann nicht hierbleiben. Wenn man sie nicht mit den Jungen allein lassen kann …«
    Takeo meinte, aus ihren Worten ihre Sorge um sich und das Kind herauszuhören, das sie in sich trug. Er wollte Maya nicht wegschicken, denn offensichtlich brauchte sie seinen Schutz und seine Aufsicht. Doch er war zu beschäftigt, um ihr viel Zeit widmen oder sie ständig bei sich behalten zu können.
    Â»Es ist ungerecht, dass ihr eure eigene Tochter zu Gunsten der Söhne anderer Leute wegschicken wollt«, sagte Maya leise.
    Kaede gab ihr noch eine Ohrfeige. »Wie kannst du es wagen, so mit mir, deiner Mutter, zu reden? Was verstehst du schon von Staatsangelegenheiten? Alles, was wir tun, hat einen politischen Hintergrund. Und so wird es immer sein. Du bist die Tochter Lord Otoris. Du kannst dich nicht aufführen wie andere Kinder.«
    Shizuka sagte: »Sie weiß nicht genau, wer sie ist. Sie besitzt Stammesfähigkeiten, die sie als Tochter eines Kriegers nicht anwenden darf. Es wäre ein Jammer, sie zu vergeuden.«
    Maya flüsterte: »Dann lasst mich doch ein Kind des Stammes sein.«
    Â»Man muss auf sie aufpassen und sie trainieren«, sagte Takeo. »Aber wer von den Muto weiß über diese Dinge Bescheid? Selbst du, Shizuka, hast trotz deines Kikutablutes keinerlei Erfahrung mit dieser Art von Besessenheit.«
    Â»Du hast meinen Sohn viele Fähigkeiten der Kikuta gelehrt«, erwiderte Shizuka. »Vielleicht wäre Taku am besten für diese Aufgabe geeignet.«
    Â»Aber Taku muss im Westen bleiben. Wir können ihn nicht wegen Maya hierher beordern.«
    Â»Dann schick sie zu ihm.«
    Takeo seufzte. »Das scheint die einzige Lösung zu sein. Kann man jemanden als Begleitung erübrigen?«
    Â»Da gibt es ein Mädchen. Sie ist vor kurzem mit ihrer Schwester aus dem Mutodorf nach Hagi gekommen. Im Augenblick arbeiten sie beide im Haus der Fremden.«
    Â»Wie heißt sie?«
    Â»Sada. Sie ist mit Kenjis Frau, Seiko, verwandt.«
    Takeo nickte. Er erinnerte sich wieder an das Mädchen. Sie war groß und kräftig und konnte als Mann durchgehen, eine Verkleidung, die man tatsächlich oft von ihr forderte, wenn sie für den Stamm arbeitete.
    Â»Du wirst nach Maruyama zu Taku reisen«, sagte er zu Maya. »Du wirst Sada in allem gehorchen.«
    Sunaomi versuchte, Maya aus dem Weg zu gehen, doch bevor sie aufbrach, stellte sie ihn und flüsterte: »Du hast die Probe nicht bestanden. Ich habe dir ja gesagt, dass die Arai Feiglinge sind.«
    Â»Ich bin zu dem Haus gegangen«, erwiderte er. »Taro war dort. Er hat mich dazu gezwungen, hierher zurückzugehen.«
    Maya lächelte. »Du hast den Zweig nicht mitgebracht!«
    Â»Da gab es keine Blüten!«
    Â»Keine Blüten! Du hast einen Zweig abgebrochen.Dann hast du ihn weggeworfen und dich eingepinkelt. Ich habe dich beobachtet.«
    Â»Du warst doch gar nicht da!«
    Â»Doch, ich war da.«
    Sunaomi rief nach den Dienerinnen, damit Maya bestraft wurde, aber sie rannte schon weg.

KAPITEL 21

    Als der Sommer dem Herbst wich, bereitete Takeo sich wieder darauf vor, auf Reisen zu gehen. Der Brauch wollte es, dass das Land vom Ende des neunten Monats bis zur Wintersonnenwende von Yamagata aus regiert wurde, doch Takeo musste früher aufbrechen als geplant, weil Matsuda Shingen zu Beginn des Monats friedlich verschied. Miyoshi Gemba brachte die Nachricht nach Hagi, und Takeo ritt sofort mit ihm und Shigeko nach Terayama. Die Aufzeichnungen der Arbeit, die sie den ganzen Sommer in Anspruch genommen hatte – die politischen Beschlüsse, Pläne für Landwirtschaft und Finanzen, Gesetzeskodizes und sorgfältig abgewogene Gerichtsurteile –, wurden in Kisten und Körben mit langen Kolonnen von Packpferden auf den Weg gebracht.
    An Matsudas Verscheiden gab es nichts zu betrauern. Sein Leben war lang und reich an Taten gewesen, sein Geist rein und voller Kraft. Er hatte Shigeru, Takeo und Shigeko unterrichtet und ließ zahlreiche Jünger zurück, die sich der Fortführung seiner Vision widmeten. Trotzdem vermisste Takeo ihn

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