Der Club der Gerechten
eingestellt.«
DiMarco ignorierte Keiths verärgerten Ton. »Willst du mir nicht sagen, was los ist?«
»Ich sag es dir, sobald ich's weiß«, antwortete Keith mürrisch. Beim Ausgabeschalter angekommen, schaltete er das Telefon aus, schob der grauhaarigen Frau ein paar Münzen über den Tresen und holte sich die Tüte in den Wagen. Mit einer Hand steuernd, nahm er das fettige Sandwich aus der Tüte. Er kaute schon, als er merkte, dass er nicht einmal den ersten Bissen hinunterschlucken, geschweige denn das ganze Ding essen konnte. Er ließ das Sandwich in die Tüte zurückfallen, nahm einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee und spülte den Bissen aus Ei, Wurst und Muffin hinunter. Als er den Truck wieder auf die Schnellverkehrsstraße lenkte, war der Becher leer.
Ein schon vertrautes Frösteln überlief ihn, als er das Manhattan House betrat. »Manhattan House«, sagte er leise vor sich hin. »Was soll das? Wollen sie bei den Leuten den Eindruck erwecken, es sei ein Hotel und kein Gefängnis?«
Das erste Mal hatte er das Gebäude vor fast einem halben Jahr betreten – und eine merkwürdige Kälte verspürt, an die er sich nie gewöhnen konnte. Das Gebäude schien Teil einer Welt, die ihm fast unbegreiflich war. Außer einer Reihe gut gekleideter Leute, die er für Anwälte hielt, war die quirlige Menschenmenge in der Lobby von der Art, wie er sie bisher nur aus dem Fernsehen kannte.
Menschen, die man in Bridgehampton allein wegen ihrer Kleidung festgenommen hätte – wären sie überhaupt jemals dort aufgetaucht.
Die Jungen sahen alle zornig aus. Zornig und arm. In den Augen, die nicht von Drogen glasig waren, schwelte die Wut, und wenn sie ihn ansahen – was sie selten taten –, wusste Keith, dass er auf sie genauso exotisch wirkte wie sie auf ihn.
Die älteren Leute – Leute seines Alters, die, wie er, nur gekommen waren, um mit ihren Kindern zu sprechen – wirkten niedergeschlagen. Die meisten schienen mit dem Gefängnis und den hier üblichen Prozeduren so vertraut wie er mit den Bauvorschriften in Suffolk County.
Bei seinem dritten Besuch hatte Keith die Menschen in der Lobby so wenig beachtet wie sie ihn.
Heute musste er nicht einmal mehr an die Prozeduren denken – wie jeder andere »Stammgast« leerte er automatisch seine Taschen, passierte den Metalldetektor und tauschte seinen Führerschein gegen ein Besucherabzeichen ein. Die Miene des Beamten, der ihn in Captain Mark Ralstons winziges Büro begleitete, wirkte genauso gelassen wie vor Stunden Captain Ralstons Stimme am Telefon. Das Büro war mit derselben kränklich grüngelben Farbe gestrichen wie die meisten Wände des Gebäudes.
Keith ignorierte die Hand, die Ralston ihm im Aufstehen bot. Sein zorniger Blick bohrte sich förmlich in die Augen des Captains. »Ich will wissen, was passiert ist.«
Ralston ließ die Hand sinken, und obwohl Keith Converse noch stand, ließ er sich wieder auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch nieder. »Ich kann Ihnen sagen, was passiert ist«, erklärte er. »Nicht sagen kann ich Ihnen, warum es passierte.« Er hielt inne, und Keith setzte sich endlich auf den hölzernen Stuhl, dem einzigen Möbelstück im Raum, auf dem keine Aktenstöße lagen. Schweigend hörte er zu, während Ralston ihm berichtete, was er wusste. »Zwei unserer Beamten waren mit Ihrem Sohn unterwegs nach Rikers, als ein Wagen ihren Kleinbus rammte. Der Wagen überschlug sich und fing Feuer.« Keith zuckte zusammen, und Ralston ballte die Hände. »Niemand konnte etwas tun, Mr. Converse. Die beiden Gefängnisbeamten saßen ebenfalls in dem Transporter fest. Keiner hat überlebt.«
Keiner hat überlebt
Die Worte schienen in der Luft zu hängen, wurden einmal und noch einmal von den Wänden zurückgeworfen, schlugen auf Keiths Kopf ein wie ein Vorschlaghammer. Als er die Worte begriffen hatte, starb auch die Hoffnung, die seit Ralstons Anruf in ihm noch lebendig geblieben war. »Ich möchte ihn sehen«, sagte er ruhig. Wieder heftete er den Blick auf Ralston, aber diesmal sah der Captain nur den Schmerz darin. »Ich möchte meinen Sohn sehen.«
Ralston zögerte. Er hatte bereits die Leichen der beiden Beamten gesehen, die in dem brennenden Wagen gestorben waren, und fragte sich, ob Keith Converse stark genug sein würde, um den Anblick seines Sohnes zu ertragen. Doch er wusste, dass der Mann genauso entschlossen war wie er selbst vor ein paar Stunden. Die Leichen anzuschauen – dem Tod buchstäblich ins Gesicht zu sehen – war
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