Der Club der Gerechten
beschleunigte. Ein paar Blocks weiter wurde er jedoch wieder langsamer.
Der Fahrer bog rechts ab, und endlich wusste Jeff, wohin sie fuhren – geradeaus vor ihnen konnte er die Williamsburg Bridge erkennen.
Die Ampel an der Bowery sprang auf Grün, der Fahrer trat das Gaspedal tiefer durch, und der Kleinbus wurde wieder schneller.
Als sie jedoch die Bowery überquerten, knallte etwas in die Flanke des Wagens und drückte die Schiebetür auf der Beifahrerseite ein. Der Kleinbus brach seitlich aus und drehte sich um die eigene Achse. Er legte einen Feuerhydranten um und prallte dann frontal in einen Laster, der auf der Westseite der Bowery parkte. Durch den ersten Aufprall vom Sitz geschleudert, wurde Jeff von dem Gitter vor ihm zurückgeworfen. Im nächsten Augenblick knallte er mit der Schulter gegen die Seitenwand des Transporters, und als sein Rücken sich verdrehte, schoss ihm ein scharfer Schmerz von der verletzten Schulter durch den ganzen Arm.
Eine Kakophonie schreiender Stimmen übertönte das Geräusch des Wassers, das wie ein Geysir aus dem beschädigten Hydranten in die Höhe schoss und den Kleinbus überflutete. Dann wurde die Hecktür aufgerissen. »Raus mit dir, Arschloch!« befahl eine raue Stimme.
Mit brummendem Schädel und von dem Blut halb geblendet, das ihm aus einer Stirnwunde strömte, taumelte Jeff aus dem Wagen.
Unsicher stand er auf der Straße. Der Hydrant versprühte noch immer Wasser, und eine Menge schäbig gekleideter Leute schien buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Während die Leute herumwimmelten, packte jemand Jeffs Arm und flüsterte ihm eindringlich ins Ohr: »Sprich nicht – denk nicht – tu gar nix nicht. Halt dich einfach hinter mir, vielleicht können wir dich hier rauskriegen.«
Sein Gehirn war zwar genauso benebelt wie seine Augen von dem noch immer strömenden Blut geblendet wurden, aber er zögerte nicht. Ihm war nur klar, dass er, zum ersten Mal seit Monaten, frei war von der klaustrophobischen Enge vergitterter Zellen, verschlossener Räume und plombierter Transportfahrzeuge. Gierig sog er die kalte Morgenluft in die Lungen und torkelte über die Kreuzung zum nur wenige Meter entfernten Eingang der U-Bahn.
Erst auf der obersten Stufe der Treppe, die zur U-Bahnstation hinunterführte, blieb er stehen. Um ihn herum waberten die Schatten der schwindenden Nacht. Der Wassergeysir aus dem niedergewalzten Hydranten schoss noch immer in die Höhe. Unter Jeff lag die hell erleuchtete, fensterlose Krypta der U-Bahnstation.
Wenn er rannte, konnte er in Dunkelheit und Stille untertauchen.
Er konnte allein sein – zum ersten Mal seit Monaten.
Die Dunkelheit, die Stille und – vor allem – die Luft zerrten an ihm, aber gerade als er den ersten Schritt machen wollte, wurde alles anders.
Eine Sirene und dann eine zweite zerrissen die Stille. Einen Augenblick später begann eine dritte zu jaulen.
Alle kamen auf ihn zu, umzingelten gewissermaßen die surrealistische Szene vor ihm.
Dann geschah es.
Der Kleinbus explodierte, und ein Feuerball schoss in die Luft. Instinkt gewann die Oberhand. Der Eingang der U-Bahnstation schützte ihn vor umherfliegenden Trümmern, und Jeff stolperte die Treppe hinunter.
Alles passierte in wenigen Sekunden. Der Mann, der ihn aus dem Transporter gezerrt hatte, setzte schon mit einer Flanke über das Drehkreuz der verlassenen Station. Jeff folgte, rannte die beiden nächsten Treppenabsätze hinunter und erreichte den Bahnsteig genau in dem Moment, in dem ein Zug nach Downtown anhielt. Die Türen öffneten sich, und Jeff lief darauf zu.
»Wohl total meschugge, Mann! Die U-Bahnpolizei kriegt dich spätestens nach fünf Minuten!«, rief der Mann, hinter dem er hergelaufen war. Er zog Jeff am Arm zum Ende des Bahnsteigs. »Komm schon!«, schrie er. »Schnell, bevor ein anderer Zug hält!«
Jeff stolperte hinter ihm her, noch immer zu benommen, um klar zu denken, aber als sie ans Bahnsteigende kamen, blieb er abrupt stehen. Hier war nichts außer einer blanken Mauer.
Er drehte sich um und schaute in die andere Richtung. Der Zug fuhr wieder, seine Rücklichter verschwanden schnell. Auf dem Bahnsteig war nur noch eine Person: ein Penner, der mit dem Rücken an eine Säule gelehnt auf dem Boden saß. Jeff hörte etwas ganz in seiner Nähe, und als er sich umdrehte, schien der Mann, dem er gefolgt war, verschwunden zu sein. Dann wieder die Stimme:
»Beweg dich, verdammt!«
Gleichzeitig hörte Jeff am anderen Ende des Bahnsteigs
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