Der Club der Gerechten
für Ralston die einzige Möglichkeit gewesen, die Realität zu akzeptieren – zu akzeptieren, was mit seinen beiden Leuten geschehen war, und er wusste, dass es für Keith Converse nicht anders sein würde.
»Er ist beim ärztlichen Leichenbeschauer«, sagte Ralston endlich und fing an, die Adresse auf die Rückseite einer seiner Visitenkarten zu schreiben. Dann überlegte er es sich anders. »Ich bring Sie hin.«
Keith Converse biss die Zähne zusammen, als der Gehilfe des Gerichtsmediziners die Schublade herauszog, in der sein toter Sohn lag. Doch als der Mann sich anschickte, das Laken zurückzuschlagen, zögerte Keith und wandte sich beinahe ab. Der Gehilfe schien sein Zögern zu spüren und sah ihn an, wie um zu fragen, ob er das wirklich wolle. Keith nickte. Der Gehilfe zog das Laken weg. Ein Gesicht – oder das, was einmal ein Gesicht gewesen war – in helles, fluoreszierendes Licht getaucht. Die Haut weggebrannt, die Augen nur noch verkohlte Höhlen.
Die Nase war zerschmettert, und hinter einer lippenlosen Grimasse sah man abgebrochene Zähne.
Die Reste der Kleidung, die nicht verbrannt waren, hatte man sorgfältig entfernt. Für Keith hatte die Nacktheit dieses Leichnams etwas Obszönes, und er musste gegen das zwanghafte Verlangen ankämpfen, sich abzuwenden. Aber er konnte nicht. Er musste Jeff ansehen, musste ihn ein letztes Mal ansehen.
Als der Gehilfe schließlich die leblose Gestalt wieder mit dem Laken bedeckte, ertappte Keith sich dabei, dass er, zum ersten Mal seit Jahren, ein Kreuz schlug und für die Seele seines Sohnes ein lautloses Gebet sprach.
»Es tut mir sehr Leid, Mr.Converse«, sagte Mark Ralston leise im Hinausgehen.
Keith sprach erst wieder, als sie vor dem Leichenschauhaus auf der Straße standen. »Ich kann's nicht glauben«, sagte er. Er sog die Luft tief in die Lungen und atmete stoßweise aus, als versuche er nicht nur den üblen Geruch des Formaldehyds loszuwerden, der in der Luft gehangen hatte, sondern auch das schreckliche Bild, das die letzte Erinnerung an seinen Sohn war und immer bleiben würde.
»Wenn es etwas gäbe, das ich tun könnte ...«, begann Ralston. Er suchte einen Moment nach den richtigen Worten, gab dann jedoch auf, denn er wusste, dass es nichts gab, was Keith Converse getröstet hätte.
Keith schüttelte den Kopf. »Ich bin bestimmt bald wieder okay, muss mich nur daran gewöhnen.« Er holte noch einmal tief Atem, und diesmal durchlief ein Schauder seinen ganzen Körper. »Und ich muss mir überlegen, wie ich es seiner Mutter beibringen kann.«
»Es ist hart«, sagte Ralston. »Ich wünschte nur, es gäbe etwas, das ich tun könnte ...«
Keith blickte auf und sah ihn scharf an. »Es hat etwas gegeben«, sagte er. »Es hat etwas gegeben, und ihr alle hättet es tun können. Ihr hättet herausfinden können, wer Cynthia Allen wirklich überfallen hat.« Mit einer ruckartigen Bewegung des Kopfes wies er auf das Leichenschauhaus. »Dann wäre mein Sohn noch am Leben, nicht wahr?« Er schaute Mark Ralston in die Augen. »Zum Teufel mit Ihnen, Ralston. Geht doch alle zum Teufel.« Er drehte sich um und entfernte sich rasch die Straße hinunter.
Etwas hatte an Keith genagt, hatte im Hintergrund seines Bewusstseins für Unruhe gesorgt, seit er wieder in seinen Truck gestiegen und zu der langen Fahrt nach Bridgehampton aufgebrochen war. Etwas, das er im Leichenschauhaus gesehen hatte.
Es hatte mit Jeffs Leichnam zu tun.
Eigentlich hatte er sich an den furchtbaren Anblick nicht mehr erinnern wollen, hatte gehofft, ihn aus seinem Bewusstsein zu löschen. Aber so sehr er es auch versuchte, er kam immer wieder. Kam wieder und peinigte ihn.
Und dann, als er gerade die Schnellstraße verließ, wusste er plötzlich, was es war.
Es war nicht etwas, das er gesehen – sondern etwas, das er nicht gesehen hatte!
Eine Tätowierung – das kleine Bild einer Sonne, die über einer Pyramide aufging –, zu der Jeff sich im Frühling vor zwei Jahren auf einem Ferientrip in die Karibik von seinen Freunden hatte überreden lassen. Sie war ihm dicht unter der Hüfte in die Haut gestochen worden. »Ich war gar nicht sicher, ob ich es überhaupt wollte«, hatte er erklärt, als er das Tattoo schließlich seinem Vater zeigte. »Hier kann es wenigstens keiner sehen, wenn ich nicht will. Und wenn ich's eines Tages abscheulich finde – oder Heather es hasst –, kann ich's mit einem Laser entfernen lassen.«
Heather hatte es nicht gehasst und Jeff ebenso wenig,
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