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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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gesehen?«
    Sheila zuckte mit den Schultern. »Ach, komm schon, Eve. Du weißt doch, wie sie sind – selbst wenn sie es gesehen hätten, würden sie's der Polizei nicht sagen. Oder mir. Und auch nicht dir. Sie trauen uns nicht.«
    »Gibt es einen Grund, warum sie uns trauen sollten?«, fragte Eve, sah dann den Schmerz in Sheilas Augen und milderte ihre Worte hastig ab. »Ich meine nicht dich, Sheila. Aber du weißt doch, wie es ist ... Ich meine, sie leben wie die Tiere, und alles, was sie jemals zu hören kriegen, sind Versprechungen. Nichts ändert sich wirklich. Diese Ärmsten ...« Sie unterbrach sich hastig. »Wozu erzähl ich dir das? Du weißt es genauso gut wie ich.«
    Nachdem sie sich von Sheila verabschiedet hatte, überlegte sie, ob sie ins Büro zurückfahren sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Die Nachrichten, die sie dort vorfinden würde, konnten auch noch bis morgen warten, und die beiden Berichte, die sie bis morgen früh lesen musste – einer, in dem es um das soziale Wohnbauprogramm ging, und der andere über die Mängel in den bereits vorhandenen sozialen Wohnbauten –, lagen bereits in ihrer stets präsenten Ledertasche, die sie an einem Schulterriemen trug. Zwar musste sie die Akten nicht erst lesen, um zu wissen, was drinstand, da sie ziemlich sicher war, dass beide Berichte mehr Lobbyisten-Geschwätz als Tatsachen enthielten. Sie hatte sogar erwogen, sie ungelesen auf ihrem Schreibtisch liegen zu lassen, doch schließlich war sie der Stimme ihres Gewissens gefolgt, also hatte sie die dicken Ordner in die Tasche gestopft.
    Zwei Minuten später lief sie die Treppe zur U-Bahnstation hinunter und sah sich, als sie das Drehkreuz passierte, kaum um. Obwohl die Rushhour vorüber war, warteten noch immer ein paar Dutzend Leute auf Züge, und Eve ging bis zum anderen Ende des Bahnsteigs, wo sich die Menschen nicht so drängten. Dann griff sie in ihre Tasche und zog einen der beiden Ordner heraus. Sie wollte eben anfangen ihn durchzublättern, als sie ein Stück weiter weg eine eindringliche Stimme hörte.
    »Ich frage nur, ob Sie gestern Morgen hier waren!« Es klang schrill, beinahe zornig. »Kurz nach fünf.«
    »Und warum interessiert dich das?«, sagte eine andere Stimme, die noch zorniger klang als die erste. »Ich kann überall sein, wo ich will.«
    Eve blickte von ihrem Bericht auf und sah zwei Männer. Einer von ihnen, ein Schwarzer, etwa zwischen vierzig und sechzig, trug die »Uniform« der Obdachlosen: mehrere Schichten unförmiger Kleidungsstücke, alle fadenscheinig, keins davon sauber.
    Der andere – der, den sie zuerst gehört hatte – sah aus, als sei er von außerhalb, obwohl Eve nicht genau hätte sagen können, warum sie das dachte. Da war nur etwas an seiner Khakihose, seinem Jeanshemd und seinen Arbeitsstiefeln – oder vielleicht auch an der Selbstverständlichkeit, mit der er sie trug –, was ihr verriet, dass er nicht in der City lebte. Und trotzdem glaubte sie, ihn von irgendwoher zu kennen.
    »Ich habe nicht gesagt, Sie hätten nicht das Recht gehabt, hier zu sein«, hörte sie den Mann von außerhalb sagen. »Ich frage nur ...«
    »Du hast kein Recht!«, fiel ihm der andere mit lauter werdender Stimme ins Wort.
    Eve schob den Ordner wieder in die Tasche und ging auf die beiden Männer zu. »Kann ich helfen?«, fragte sie.
    Der Schwarze fuhr herum, seine Augen glühten, aber das Feuer erstarb schnell und wurde durch einen Ausdruck der Unsicherheit ersetzt. »Ich hab das Recht, hier zu sein«, sagte er. »Es ist ein öffentlicher Ort, richtig? Also hab ich das Recht, hier zu sein.«
    »Natürlich hast du das«, sagte Eve beschwichtigend. »Du hast das gleiche Recht wie alle anderen.«
    »Siehste?«, sagte der Schwarze und drehte sich wieder zu dem anderen um. »Ich hab dir gesagt, ich hab das Recht.«
    »Ich behaupte doch gar nicht, dass Sie es nicht haben«, sagte der Mann hartnäckig. »Ich bitte Sie nur, sich ein Foto anzusehen.« Er hielt dem Schwarzen die Brieftasche hin, und Eve warf einen Blick auf die Fotografie.
    Plötzlich wusste sie, woher sie den Mann kannte. Sie hatte ihn vorgestern in den Nachrichten gesehen, als man über das Urteil gegen Jeff Converse berichtet hatte.
    »Sie sind sein Vater«, sagte sie. »Sie sind der Vater von Jeff Converse.«
    Keith hob die Brauen. »Sie kennen meinen Sohn?«
    »Ich weiß, dass er fast ein Mädchen umgebracht hätte, und weiß, dass er dafür nur ein Jahr Gefängnis bekommen hat.« Doch dann änderte sich Eves

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