Der Club der Gerechten
gehört, dass welche rausgekommen sind?«
»Nein, aber ...«
»Kein Aber«, unterbrach sie Tillie und sah Jeff sehr direkt an. »Sie haben's euch doch gesagt, oder? Das mit'm Spiel?«
Jagger war mit dem Essen fertig und schob seinen Teller weg. Jeff spürte, wie sein Körper sich spannte und legte ihm wieder beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Sie haben uns gesagt, wenn wir rauskommen, sind wir frei. Sie haben gesagt, wir brauchen nur an die Oberfläche ...«
»Egal, was sie gesagt haben«, fiel Tillie ihm ins Wort. »Sie werden euch töten. Nur dazu seid ihr ja hier unten.«
Jeffs Magen verkrampfte sich. »Aber warum?« fragte er. »Warum sollte uns jemand töten wollen? Und wer sind ›sie‹?«
Tillies Augen bohrten sich in die von Jeff. »Woher soll ich das wissen? Keiner sieht sie. Nich mal zu hören sind sie. Aber wir alle wissen über sie Bescheid. Und wenn sie mal einen Entschluss gefasst haben – das war's dann.«
»Doch wenn wir hinauskommen, lassen sie uns in Ruhe?«
Tillie zuckte mit den Schultern. »Das sagen sie. Aber ich hab noch nie gehört, dass einer davongekommen ist, nachdem die Jagd angefangen hat.« Ihre Augen huschten von Jeff zu Jagger, »'türlich, ich kann mich auch nich erinnern, dass sie zwei gleichzeitig gejagt haben. Wenn ihr beisammen bleibt, könnt ihr's vielleicht schaffen.«
Jagger beugte sich plötzlich vor und packte Tillie am Handgelenk. »Aber wenn wir nirgendwohin gehen?«, fragte er leise und drohend. »Wie wenn wir einfach hier bleiben?«
Falls Tillie sich überhaupt fürchtete, ließ sie es sich nicht anmerken. »Ich hab es euch schon einmal gesagt – das ist meine Wohnung, und ich entscheide, wer hier lebt. Ich habe Regeln aufgestellt, und alle müssen sich danach richten. Robby muss in die Schule gehen, und Lorena hier muss ihr Baby versorgen, und jeder muss sich um jeden kümmern. Wir sind noch nicht allzu weit unten, und ich schätze, dass Robby und Lorena und Jinx eine gute Chance haben, eines Tages an die Oberfläche zurück zu gehn. Deshalb lass ich keinen hier rein, der alles durcheinander bringt – ich will, dass meine Kids rauf-und nicht runterkommen.« Sie sah Jagger böse an. »Leute wie du kommen nicht rauf. Sie kommen nur runter.« Wieder wandte sie sich an Jeff. »So isses nun mal mit den Tunnels. Wenn die Leute herkommen, denken sie, es ist nur für 'ne Weile – vielleicht für ein paar Stunden oder für eine Nacht. So bin ich hier gelandet. Ich hatte es satt, in die Grand Central zu rennen und dort auf 'ner Bank zu schlafen – bevor sie alle Bänke rausgenommen haben. Ich hatte beobachtet, wie Leute die Gleise langgingen, also hab ich's eines Abends selbst versucht. Zum ersten Mal seit Monaten konnte ich gut schlafen. Also bin ich wieder hin. Eine ganze Weile hatte ich ein kleines Nest oben in den Röhren. Und am Tag bin ich wieder raus. Aber dann haben sie angefangen, uns aus der Grand Central rauszuwerfen. Also hab ich angefangen, mich umzusehen und hab nach einer Weile dies hier gefunden.« Ihre Augen schweiften über den feuchten Beton der fensterlosen Wände, und plötzlich grinste sie. »Die Miete war in Ordnung, und ich war tief genug, um mich vor den Cops nicht fürchten zu müssen.« Sie zeigte mit dem Daumen auf Fritz, der vor sich hin zu dösen schien. »Und dann hab ich ihn gefunden, und alles wurde viel besser. Wenn Fritz nicht trinkt, gibt's nich viel, was er nich machen kann. Er ist derjenige, der gewusst hat, wie sich Elektrizität und Kabel und sogar die Wasserleitungen anzapfen lassen. Ich wette, eines Tages kriegt er's auch noch raus, wie wir'n Anschluss an die Abwasserkanäle kriegen.«
»Wenn seine Leber so lange durchhält«, sagte Jinx leise vor sich hin.
Tillie sah das Mädchen feindselig an, und Jinx verstummte. »Alle«, fuhr Tillie zu Jeff gewandt fort, »alle denken, hier unten gibt's nur Penner. Und ich will auch nich behaupten, dass es nich 'ne Menge davon gibt. Aber es sind auch alle möglichen anderen Leute da. Wie Jinx hier, die von ihrem Stiefvater weg musste.« Sie wies mit dem Kopf auf Lorena, die wieder ihr Baby stillte. »Lorena war schwanger, und ihr Mann hat sie verprügelt. Und Robbys Leute sind einfach abgehauen und haben ihn zurückgelassen.«
»Zurückgelassen?«, wiederholte Jeff, der jetzt mit dem Essen fertig war.
Tillie nickte. »Sie sind in einen Bus eingestiegen und haben ihm gesagt, er soll an der Station warten. Aber sie sind nie zurückgekommen. Jinx hat ihn auf einer Bank gefunden,
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