Der Club der Gerechten
dem Blatt und Jagger und Jeff hin und her schweifen.
»Wollt ihr Jungs mir sagen, warum ihr gesessen habt?«, fragte sie.
Jagger kniff die Augen zusammen. »Ich hab nie nix gemacht.«
Tillie sah Jeff an, und ihm war klar, dass sie Jagger nicht glaubte.
»Ich wurde wegen versuchten Mordes verurteilt«, sagte er.
Tillie bekam schmale Augen. »Hast du's gemacht oder nich?«
Jeff zuckte mit den Schultern. »Das ist doch egal. Ich wurde angeklagt und verurteilt. Und ich war deshalb im Gefängnis.«
»Wie viel haben sie dir gegeben?«
»Ein Jahr.«
Ungläubig hob Tillie die Brauen, aber ihr Blick wanderte wieder zu Jagger. »Und du?«
»Lebenslang«, sagte Jagger.
»Für was?« Während die Frage im Raum hing, ließen Julies Augen Jagger keine Sekunde los.
Jagger schien über seine Antwort lange nachzudenken, dann runzelte er die Stirn. »Sie haben gesagt, ich hab zwei Leute umgebracht. Und angeblich hab ich im Knast auch einen umgebracht. Aber ich erinner mich nich, keinen nich umgebracht zu haben.«
Tilly betrachtete wieder das Blatt Papier, das sie Jinx abgenommen hatte, und reichte es dann Jeff. Obwohl zerdrückt und voller Dreck, ließ sich noch deutlich erkennen, wozu es diente.
Es zeigte zwei Fotografien, eine von Jagger, die andere von ihm selbst. Darunter eine kurze Beschreibung ihrer Verbrechen und des gegen sie ergangenen Urteils. Unten prangten in Druckbuchstaben vier Worte:
DIE JAGD IST ERÖFFNET
»Ihr könnt noch frühstücken«, sagte Tillie. »Aber dann müsst ihr gehen.«
»Wie können sie sich ›New Yorks Elite‹ nennen?«, fragte Heather Randall und stieß die drei Worte hervor, als habe sie einen üblen Geschmack im Mund. »Wie können sie sich Polizei – geschweige denn ›Elite‹ – nennen, wenn sie sich vor den Menschen in den Tunnels so fürchten, dass sie sich nicht einmal hineintrauen?«
Eve Harris lehnte sich im Sessel zurück, nahm die Lesebrille ab und presste die Finger an die Schläfen in dem vergeblichen Versuch, den beginnenden Kopfschmerz zu unterdrücken. Sie wünschte fast, sie hätte es abgelehnt, die beiden Leute zu empfangen, die ihr jetzt zornig gegenüber saßen. Heather Randall hockte auf der Stuhlkante, während Keith Converse vorgebeugt dahockte; die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Kinn auf den gefalteten Händen. Sein Blick bohrte sich in den ihren. Ihr war klar, dass er sie herausforderte, etwas in der Geschichte zu unternehmen, die er ihr am Tag vorher zu erzählen begonnen und die an diesem Vormittag eine noch merkwürdigere Wendung genommen hatte.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihrer Assistentin aufzutragen, sie solle Keith Converse anrufen und ihm mitteilen, sie habe über einen Mann namens Scratch nichts erfahren können. Und das wär's dann gewesen. Aber als er, anstatt anzurufen, bei ihr im Büro erschien und Heather Randall mitbrachte, überlegte sie es sich anders. Selbst Eve Harris durfte die Tochter des Assistent District Attorney nicht so ohne weiteres abweisen, denn es konnte sehr leicht sein, dass einmal sie ihn um einen Gefallen bitten musste.
Seufzend hörte sie auf, sich die Schläfen zu massieren und sah zuerst Heather, dann Keith an. »Ich kann Ihre Frustration verstehen. Kann sie sogar nachempfinden. Gott weiß, dass die Polizei im Lauf der Jahre auch nicht immer mein bester Freund war. Andererseits bin ich nicht sicher, dass Sie richtig verstehen, womit sie es zu tun hat.«
»Mit einer Bande Obdachloser«, sagte Keith, »ihrer Meinung nach lauter Trunkenbolde, Junkies und Verrückte.« Er lächelte grimmig. »Und damit zitiere ich jemand aus dem Fifth Precinct, einen Typen namens ...«
»Ich will's gar nicht wissen«, unterbrach ihn die Stadträtin. »Es ist absolut egal, wer es war, weil die meisten ihm zustimmen würden.«
»Was heißt, dass sie sich gar nicht die Mühe gemacht hätten, auch nur mit einem von diesen Leuten zu reden, als sie im Fall Cynthia Allen ermittelten, richtig?«
Eve Harris Züge verhärteten sich. »Ich habe gedacht, Sie suchen Ihren Sohn, Mr. Harris. Wenn Sie eigentlich auf ein Wiederaufnahmeverfahren aus sind ...«
»Wir versuchen nur zu erfahren, was passiert ist.«, unterbrach Heather, die sah, dass sie drauf und dran waren, Eve Harris völlig zu konsternieren. »Ich weiß, dass wir gestern Abend in der U-Bahnstation etwas gehört haben. Ich kann nicht beschwören, dass es Jeff war – ich vermute, es könnte irgendwer gewesen sein. Aber Keith ist überzeugt, dass der Leichnam, den man
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