Der Club der Lust
stammelte er und nestelte an seinem Kragen, als wäre er zu eng.
«Prima. Dann fahren wir also auf ein Sandwich zu dir.»
«Ich gehe die Strecke immer zu Fuß», entgegnete er unsicher, während Natalie bereits aufstand und ihre Sachen zusammensuchte.
«Können wir denn kein Taxi nehmen? Ich bezahle es auch, wenn du dich nicht in Unkosten stürzen willst.»
Was ist nur in dich gefahren, Croft?, fragte Natalie sich still, als sie die Bibliothek verließen. Eigentlich eine dumme Frage, denn sie wusste genau, was in sie gefahren war: der altbekannte Dämon der Lust. Derselbe verrückte innere Teufel, der im Zug von ihr Besitz ergriffen hatte, als sie diesen schüchternen, aber merkwürdig einnehmenden Mann zum ersten Mal gesehen hatte.
Steven war unter dem Einfluss
seines
Liebesteufels wohl wieder einfach sprachlos. Aber schließlich war er auch nicht so an solche Übergriffe auf seine Hormone gewöhnt wie Natalie.
Als sie im Freien waren, berührte er sie dann aber doch am Arm. «Ich muss nochmal telefonieren. Ich wollte mich nämlich eigentlich mit einem Kollegen treffen, um ein Tutorium mit ihm zu besprechen.» Er zögerte, als müsse er Natalie um Erlaubnis bitten, und sie nickte ungeduldig. Zu ihrer Überraschung zog er keines der allgegenwärtigen Handys aus der Tasche, sondern betrat eine altmodische Telefonzelle vor der Bibliothek.
Obwohl Stevens Anruf nur einen kurzen Augenblick dauerte, tanzte Natalie vor Ungeduld schon fast auf dem Bürgersteig, alser schließlich herauskam. «Du hättest auch gleich ein Taxi rufen können, wo du schon mal da drin warst», sagte sie und griff nach ihrem eigenen Telefon.
«Ich … ja … das hätte ich wohl», stotterte er und blickte dann über ihre Schulter. «Da drüben ist gerade eins. Soll ich es heranwinken?»
Als Natalie sich umdrehte, sah auch sie das Taxi. Noch bevor Steven auch nur die Hand heben konnte, hatte sie es mit dem Selbstverständnis einer Frau, die an Londoner Taxis gewöhnt war, auf sich aufmerksam gemacht, und schon eine Sekunde später war der Wagen aus dem Verkehrsfluss ausgeschert und kam neben ihnen zum Halten.
«Die Welt ist doch ein Dorf», sagte die maskuline Fahrerin, mit der Natalie schon einmal mitgefahren war.
Sie runzelte die Stirn und war kurzfristig ganz baff über den Zufall, der sie erneut in Ruth Hammers Taxi führte. Doch dann zog sie Steven kurzerhand mit sich auf den Rücksitz. Als der Wagen schließlich anfuhr, fiel Natalie ein, dass Pattis Wagen immer noch in dem Parkhaus stand.
Was soll’s! Würde sie jetzt den Fluss des Geschehens unterbrechen, könnte Steven vielleicht die Nerven verlieren und sie damit um den Spaß bringen, der vor ihr lag.
«Das ist ja ein wunderschönes Haus. Lehrer müssen wohl doch besser verdienen, als sie in Fernsehinterviews zugeben wollen», kommentierte Natalie, während Steven sie in die riesige, gut erhaltende viktorianische Villa führte, die in Nord-Redwych stand – einer der wahrscheinlich begehrtesten Lagen der Stadt.
Auf der kurzen Fahrt waren sie im Taxi recht angespannt gewesen. Doch während einer ihrer gequälten Gesprächsversuche hatte Natalie immerhin ihre Vermutung bestätigen können, dass Steven Small tatsächlich Lehrer war. Und zwar ein Teilzeit-Aushilfslehrer in diversen Eliteschulen Redwychs, der sich auf Englischspezialisiert hatte und außerdem einigen Privatschülern Einzelunterricht gab.
«Oh, das stimmt aber nicht», erwiderte Steven auf Natalies Bemerkung, als er sie hineinließ. «Das Haus ist seit Generationen in Familienbesitz, und ich habe es geerbt.»
Ob es wohl auch eine Mrs. Small gibt?, fragte sich Natalie plötzlich, als sie die großzügigen Proportionen der Eingangshalle und den feinen Schliff einer eindeutig antiken Flurgarderobe mit Spiegel betrachtete. Bisher war ihr nie in den Sinn gekommen, dass ihr scheuer Lehrer ja auch verheiratet sein könnte. Er trug zwar keinen Ring, aber das taten viele verheiratete Männer nicht.
Im Grunde war das aber auch egal. Er hätte sie ja wohl kaum mit zu sich nach Hause genommen, wenn in der Küche ein kochendes, kleines Frauchen stünde. Trotz seiner Schüchternheit bestand kein Zweifel daran, dass er genauso gut wie Natalie wusste, weshalb sie hier waren.
«Komm doch mit in die Küche. Dort esse ich mittags meistens.»
Natalie folgte ihm in unmittelbarer Nähe und fand sich schon bald in einer wunderschönen, altmodischen, aber gut eingerichteten Küche wieder. Zwar hatte sie noch nie in
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