Der Club der Lust
den er ihr jetzt leistete, fast völlig vergessen. Auf dem Bildschirm war der Artikel über die Bürger von Redwych und die bedrohte Schönheit ihrer Stadt zu sehen.
Natalie las den Artikel genauestens durch und machte sich dabei zahlreiche Notizen in Kurzschrift. Auch hier war kein Wort über Daumery oder
Ainsley Rose
zu finden. Stattdessenwar wieder von einer großen, gesichtslosen Baufirma zu lesen, die sich ein riesiges Projekt unter den Nagel gerissen und die Bürger von Redwych dabei komplett übergangen hatte. Natalie bekam ein ungutes Gefühl bei der Sache, und ihr siebter und achter Sinn ließen sie sofort an Korruption und Whitelaw Daumery denken.
Abgesehen von leichten Abweichungen hätte der zweite Artikel beinahe eine Abschrift des ersten sein können. Wie nicht anders erwartet, hatte die Baumfirma diesmal wieder einen anderen Namen und hieß
Technobuild 2000.
«Wonach suchst du denn eigentlich?»
Steven Smalls Stimme ließ Natalie zusammenzucken und sorgte dafür, dass der Steuergriff, den sie gerade unter Kontrolle gebracht hatte, erneut verrutschte. Nicht dass sie seine Anwesenheit vergessen hätte, beileibe nicht! Sein Duft, seine Nähe und selbst die unterschwellige Hitze seines Körpers trieben sie fast in den Wahnsinn. Doch dies war praktisch das erste Mal seit ihrer Ankunft in Redwych, dass ihre Professionalität endlich einmal die Oberhand über ihre Hormone gewonnen hatte.
Natalie drehte sich zu ihm. Sollte sie es ihm verraten? Konnte sie ihm vertrauen? Sie entschied sich für ein Ja. Es war garantiert sicherer, ihre Recherche mit einem weltfremden Akademiker zu besprechen, der wahrscheinlich sowieso nicht viel von der Realität da draußen mitbekam, als mit einem Kollegen wie Alex Hendry. Oder auch mit einer berüchtigten Halbweltfigur wie Stella Fontayne.
Die Journalistin schaute wieder auf das blassrosa Papier und war immer noch erstaunt, dass Steven offensichtlich nicht die geringste Ahnung hatte, was das
Fontayne’s
war.
Sie begann von ihrem Job, ihrem Vorhaben in Redwych und den bisherigen Fortschritten zu erzählen.
«Meine Güte, Whitelaw Daumery? Das ist ja interessant», murmelte Steven mit einem recht merkwürdigen, verschlossenenAusdruck im Gesicht, als würde er eine andere Reaktion verbergen. Was er wohl wirklich dachte? «Ich hatte immer angenommen, dass er eine der wenigen öffentlichen Personen mit durch und durch reiner Weste wäre. Aber da sieht man mal, wie wenig ich doch weiß …»
«Noch habe ich ja keine konkreten Beweise», gab Natalie zu. Es wurde immer schwieriger, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, und der kurze Moment der Klarheit hatte sich auch schon wieder verflüchtigt. Steven war ihr einfach zu nah. Sie spürte genau, wie sie nach und nach genauso auf ihn reagierte, wie sie es im Zug getan hatte. Das beunruhigte sie in gewisser Weise, war aber auch überaus erregend.
Er war so ruhig, so zurückhaltend, und man schien ihn auf so herrliche Weise schockieren zu können. Die meisten Männer hätten doch auf jeden Fall Bezug auf ihre frühere Begegnung genommen, Witze darüber gemacht oder sich um einen Nachschlag bemüht. Doch Steven Small schien geradezu Angst zu haben, ihr gemeinsames Erlebnis überhaupt zu erwähnen. Wahrscheinlich verdrängte er immer noch, dass es überhaupt passiert war.
«Ich habe erst mal genug rausgefunden», log sie und dachte an die Firmenverzeichnisse, die sie noch durchsehen wollte. Aber das könnte sie auch online tun oder Gareth, den Hacker, bezahlen, damit er das für sie übernahm. «Zeit zum Mittagessen. Hast du Hunger?» Natalie starrte Steven direkt in die Augen und zwang ihn förmlich, nicht wegzuschauen. Es ist passiert, sagte sie im Geiste zu ihm. Gib es einfach zu. Und wenn ich auch nur ein Quäntchen Mitspracherecht habe, wird es wieder passieren.
Gott, sie brauchte so dringend einen Mann, der ihr das Selbstvertrauen wiedergab; eine Bestätigung ihrer weiblichen Anziehungskraft. Alex Hendry war dafür zu draufgängerisch. Er hatte die gefährliche Begabung, sie in eine bedrohliche und verletzbarePosition zu bringen. Steven Small hingegen war jemand, der ihr dieses Gefühl geben konnte. Schließlich hatte sie es sich schon einmal von ihm geholt – und das würde ihr sicher wieder gelingen.
«Mittagessen?», wiederholte sie und sah ihm dabei bohrend ins verdutzte Gesicht. «Du und ich? Was meinst du?»
«Äh … ja, … aber dazu gehe ich normalerweise nur nach Hause und esse ein Sandwich»,
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