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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Fischmarkt. Trotzdem schob sie an den meisten Abenden ihren Karren immer noch eigenhändig zum Marktplatz, wo sie Wellhornschnecken, Krabben, Lederkrebse, Blütengarnelen, Affenmuscheln und ihre berühmten heißen Fischstäbchen verkaufte.
    Glenda kaufte oft bei ihr; die beiden Frauen brachten einander den für Ebenbürtige, die letztendlich keine Gefahr für die eigene Stellung darstellen, reservierten Respekt entgegen.
    »Na, geht ihr zur großen Fischbrötchenschlacht, Mädels?«, fragte Wilma gut gelaunt und winkte ihnen mit einem Heilbutt zu.
    »Ja«, antwortete Juliet stolz.
    »Was, alle beide?«, fragte Wilma mit einem Blick in Richtung Glenda, die nachdrücklich nickte und sagte: »Die Nachtküche expandiert.«
    »Na, von mir aus, solange ihr euren Spaß dabei habt«, sagte Wilma und blickte, jedenfalls theoretisch, von einer zur anderen. »Hier, bedient euch. Die hier sind ausgesprochen lecker. Ich schenke sie euch.«
    Sie griff nach unten und zog einen Krebs aus einem Eimer. Als er aus dem Eimer auftauchte, stellte sich heraus, dass noch drei weitere an ihm dranhingen.
    »Ein Krebshalsband?«, kicherte Juliet.
    »So sind sie, diese Krebse«, sagte Wilma kopfschüttelnd und zupfte die Trittbrettfahrer wieder ab. »Dumm wie Schifferscheiße, einer wie der andere. Deshalb kann man sie auch in einem Eimer ohne Deckel aufbewahren. Jeder, der rausklettern will, wird gleich wieder reingezogen. Dumm wie Schifferscheiße, echt.« Wilma hielt den Krebs über einen unheilvoll brodelnden Kessel. »Soll ich ihn gleich für euch kochen?«
    »Nein!«, sagte Glenda viel lauter als beabsichtigt.
    »Alles in Ordnung mit dir, meine Gute?«, erkundigte sich Wilma. »Du siehst ein bisschen krank aus.«
    »Mir geht’s gut, danke. Nur ein leichtes Kratzen im Hals, das ist alles.« Krebseimer, dachte sie. Und ich dachte, Pepe redet Blödsinn. »Äh, würdest du ihn für uns zusammenbinden? Die Nacht wird bestimmt noch lang.«
    »Recht hast du«, sagte Fräulein Schubwagen und wickelte mit geübten Handbewegungen Schnur um den widerspenstigen Krebs. »Du weißt ja, wie man sie macht. Ganz leckere Krebse sind das, schmecken wirklich gut. Aber dumm wie Schifferscheiße.«
     
    Krebseimer, dachte Glenda, als sie weiter in Richtung Nachtküche eilten. Genauso läuft’s. Die Leute aus den Schwestern sehen es nicht gern, wenn ein Mädchen den Trolli-Bus nimmt. Genau das ist der Krebseimer. So gut wie alles, was mir meine Mum je beigebracht hat, ist Krebseimer. So gut wie alles, was ich Juliet je beigebracht habe, ist auch Krebseimer. Vielleicht ist es bloß ein anderes Wort für das Gedränge. Wenn man drinsteckt, ist alles so schön warm und vertraut, dass man vergisst, dass es auch noch ein Draußen gibt. Das Schlimmste daran ist, dass der Krebs, der dich am meisten behindert und zurückzieht, du selber bist … Diese Erkenntnis setzte ihren Verstand in Flammen.
    Sehr viel hängt von der Tatsache ab, dass es unter normalen Umständen niemandem erlaubt ist, dir mit einem Holzhammer eins überzuziehen. Überall sind alle möglichen sichtbaren und unsichtbaren Schilder aufgestellt, die sagen: »Das darfst du nicht!«, in der Hoffnung, dass es funktioniert, aber falls nicht, dann zucken sie mit den Achseln, weil es, letztendlich, gar keinen richtigen Holzhammer gibt. Man musste sich nur mal Juliet ansehen, wie sie mit all den vornehmen Damen geplaudert hatte. Sie wusste nicht, dass sie eigentlich gar nicht auf diese Weise mit ihnen reden dürfte. Und es hat funktioniert! Niemand hat ihr mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen.
    Es war ein ungeschriebenes Gesetz, verkörpert von Frau Allesweiß, dass das Personal aus der Nachtküche nicht nach oben gehen durfte, dorthin, wo das Licht vergleichsweise sauber war und nicht schon durch jede Menge andere Augäpfel gefiltert. Aber Glenda hatte es trotzdem getan, und es war ihr nichts passiert, oder? Also ging Glenda jetzt entschlossenen Schrittes auf den Großen Saal zu, und ihre strapazierfähigen Schuhe knallten so heftig auf den Boden, dass es wehtat. Die Tagesmädchen sagten nichts, als sie hinter ihnen hermarschierte. Sie hatten überhaupt nichts zu sagen. Das wahre, ungeschriebene Gesetz besagte, dass dickliche Mädchen nicht bei Tisch aufwarteten, wenn Gäste anwesend waren, und Glenda war heute Abend zu dem Schluss gekommen, dass sie ungeschriebene Gesetze nicht lesen konnte. Abgesehen davon war bereits ein Streit im Gange. Das Hauspersonal, das das Besteck verteilte, versuchte ein

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