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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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helfen Sie mir, die Mechanismen meines Geistes ganz genau zu untersuchen, und zwar mittels Fragen und Antworten.«
    »Aber ich weiß überhaupt nicht, was ich fragen soll«, sagte Trev.
    »Ich schon«, sagte Nutt geduldig, »du musst mir nur sagen, dass ich es tun soll.«
    Trev zuckte wieder die Achseln. »Also, Nutt, du musst herausfinden, was mit Nutt schiefläuft«, sagte er.
    »Ah, ja«, sagte Nutt, dessen Stimme sich ein wenig veränderte. »Liegen wir bequem, Herr Nutt? Ja, vielen Dank. Die Ketten scheuern fast überhaupt nicht. Seeeehr schön. Jetzt erzählen Sie mir von Ihrer Mutter, Herr Nutt. Ich weiß zwar, was eine Mutter ist, aber ich habe, soweit ich mich erinnere, nie eine Mutter gehabt. Aber danke der Nachfrage«, sagte Nutt.
    So nahm der monologische Dialog seinen Anfang. Die beiden anderen saßen auf der Steintreppe und hörten zu, wie die leise Stimme immer weiter vor sich hin redete, bis: »Ach ja, die Bibliothek. Ist da etwas in der Bibliothek, Herr Nutt?«, sagte Nutt mit einem merkwürdig holprigen Akzent.
    »In der Bibliothek sind viele Bücher.«
    »Und was befindet sich noch in der Bibliothek? Etwas, von dem Sie mir nichts sagen wollen, Herr Nutt?«
    Sie warteten. Schließlich sagte Nutt mit seiner eigenen Stimme: »In der Bibliothek ist ein Schrank.«
    »Hat dieser Schrank etwas Besonderes an sich, Herr Nutt?«
    Wieder eine Pause, dann ertönte eine andere schwache Stimme: »Ich darf den Schrank nicht aufmachen.«
    »Wieso spricht die eine Hälfte von ihm wie jemand aus Überwald?«, wollte Glenda von Trev wissen und vergaß dabei Nutts berüchtigt scharfen Gehörsinn.
    »Fragen, die bei Behandlungen dieser Art mit einem leichten überwäldlerischen Akzent gestellt werden, scheinen den Patienten zu beruhigen«, sagte Nutt. »Und jetzt wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich nicht weiter unterbrechen würden.«
    »Entschuldigung«, sagte Glenda.
    »Keine Ursache. Also, weshalb dürfen Sie den Schrank nicht aufmachen, Herr Nutt?«
    »Weil ich Ihrer Ladyschaft versprochen habe, dass ich den Schrank nicht aufmache.«
    »Und? Haben Sie den Schrank aufgemacht, Herr Nutt?«
    »Ich habe Ihrer Ladyschaft versprochen, dass ich den Schrank nicht aufmache.«
    »Und? Haben Sie den Schrank aufgemacht, Herr Nutt?«
    Diesmal entstand eine viel längere Pause. »Ich habe Ihrer Ladyschaft versprochen, dass ich den Schrank nicht aufmache.«
    »Haben Sie im Schloss viel gelernt, Herr Nutt?«
    »Sehr viel.«
    »Haben Sie dort auch gelernt, wie man ein Schloss knackt, Herr Nutt?«
    »Ja.«
    »Wo ist diese Tür jetzt, Herr Nutt?«
    »Sie ist direkt vor mir.«
    »Sie haben die Tür aufgemacht, Herr Nutt. Sie glauben, Sie hätten sie nicht aufgemacht, aber Sie haben es getan. Und jetzt ist es sehr wichtig, dass Sie sie noch einmal aufmachen.«
    »Aber das, was hinter der Tür ist, ist falsch!«
    Die beiden Lauscher reckten die Hälse, um besser hören zu können.
    »Nichts ist falsch. Überhaupt nichts ist falsch. In der Vergangenheit haben Sie die Tür als dummes Kind aufgemacht. Um die Tür jetzt zu verstehen, müssen Sie sie mit der Weisheit des Alters aufmachen. Machen Sie die Tür auf, Herr Nutt, ich begleite Sie zu ihr.«
    »Aber ich habe keinen Dietrich mehr.«
    »Die Natur wird schon dafür sorgen, Herr Nutt.«
    Glenda erschauerte. Wahrscheinlich bildete sie es sich nur ein, aber mit einem Mal schienen sie nicht mehr im Kerzengewölbe zu sein.
    Vor Nutt erstreckte sich ein Korridor. Er spürte alles von sich abfallen. Ketten, Kleider, Fleisch, Gedanken. Es gab nur noch diesen Korridor und den sanft auf ihn zuschwebenden Schrank. Er hatte Glastüren. Licht brach sich in den abgeschrägten Rändern. Er hob eine Hand und streckte die Krallenfinger aus. Sie schnitten durch Holz und Glas, als wäre es Luft. In dem Schrank war ein Regalbrett, und auf dem Brett lag ein einziges Buch. Auf dem Buch stand in Silber ein Titel geschrieben, und stählerne Ketten waren darum gewickelt. Auch die ließen sich viel einfacher zerbrechen als beim letzten Mal. Er setzte sich auf einen Stuhl, der erst da war, als er sich darauf niederließ, und fing an, in dem Buch zu lesen. Das Buch trug den Titel ORK.
    Als der Schrei ertönte, kam er nicht von Nutt, sondern von oben, aus dem Wirrwarr der Rohre. Eine dürre Frau in einem langen schwarzen Gewand, eine Hexe vielleicht, dachte Glenda, von ihrem plötzlichen Auftauchen erschrocken, ließ sich auf eine der Bodenfliesen fallen und schaute wie eine Katze um sich.
    Nein, eher wie ein

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