Der Coach
auch?«
»Sieht so aus, nur schleppe ich eine Menge Ballast mit mir rum. Es ist nicht einfach, ein vergessener Held zu sein.«
»Hast du dich noch immer nicht daran gewöhnt?«
»Wenn man mit achtzehn berühmt war, bleibt man sein Leben lang ein verblasster Stern. Man träumt von den glorreichen Tagen, aber man weiß, dass sie für immer vorbei sind. Ich wünschte, ich hätte nie einen Football gesehen.«
»Das nehme ich dir nicht ab.«
»Dann wäre ich jetzt ein ganz normaler Mensch mit zwei gesunden Beinen. Und ich hätte nicht diesen Fehler mit dir gemacht.«
»Bitte, Neely, keine Gefühlsduseleien. Wir waren erst sechzehn.«
Sie schwiegen erneut, tranken Schokolade und bereiteten sich auf den nächsten Ballwechsel vor. Neely hatte diese Begegnung bereits seit Wochen geplant. Cameron war nicht darauf vorbereitet gewesen, ihn jemals wiederzusehen. Doch ihm war klar, dass ihm das Überraschungsmoment nicht helfen würde. Sie würde auf alles zu reagieren wissen.
»Du sagst nicht besonders viel«, bemerkte er.
»Ich habe auch nichts zu sagen.«
»Komm schon, Cameron, das ist deine Chance, endlich Dampf abzulassen.«
»Warum sollte ich? Du sitzt hier und versuchst, mir schlimme Erinnerungen aufzuzwingen. Ich habe Jahre gebraucht, um das alles zu vergessen. Warum glaubst du eigentlich, dass ich mich an damals erinnern und noch einmal verletzt werden will? Ich habe das zu den Akten gelegt, Neely. Du offensichtlich nicht.«
»Willst du hören, was aus Screamer geworden ist?«
»Auf keinen Fall.«
»Sie serviert Cocktails in einem billigen Kasino in Las Vegas, ist fett und hässlich und sieht mit Zweiunddreißig aus wie Fünfzig. Das hab ich von Paul Curry, der hat sie dort gesehen. Offenbar ist sie nach Hollywood gegangen, wollte sich nach oben vögeln und ist dann zwischen all den anderen Kleinstadtschönheiten untergegangen, die das Gleiche vorhatten.«
»Überrascht mich nicht.«
»Paul sagt, sie wirkt ausgelaugt.«
»Davon bin ich überzeugt. Sie wirkte schon auf der Highschool ausgelaugt.«
»Geht’s dir damit nicht besser?«
»Es ging mir hervorragend, bis du hier aufgetaucht bist, Neely. Ich interessiere mich weder für dich noch für deine Schönheitskönigin.«
»Komm schon, Cameron. Sei ehrlich. Es muss doch irgendwie befriedigend sein zu hören, dass Screamer auf dem absteigenden Ast ist, während du offensichtlich ein richtig gutes Leben hast. Du hast gewonnen.«
»Ich habe aber gar nicht gekämpft. Das ist mir alles völlig gleichgültig.«
Sie stellte die Tasse auf das Tablett zurück und beugte sich wieder vor. »Was willst du von mir hören, Neely? Muss ich wirklich längst bekannte Tatsachen wiederholen? Ich habe dich wahnsinnig geliebt, als ich ein junges Mädchen war. Das kann dich nicht überraschen, weil ich’s dir ja täglich gesagt habe. Und du hast das Gleiche zu mir gesagt. Wir waren die ganze Zeit unzertrennlich, haben dieselben Kurse belegt, sind überall zusammen hingegangen. Aber dann bist du der große Football-Star geworden, und jeder wollte dir irgendwie nahe sein. Allen voran Screamer. Und sie hatte lange Beine, einen süßen Hintern, kurze Röcke, einen großen Busen und blonde Haare, und irgendwie hat sie’s geschafft, dich auf den Rücksitz ihres Wagens zu kriegen. Und dann hast du beschlossen, dass du mehr davon willst. Ich war ein braves Mädchen, und dafür habe ich bezahlen müssen. Du hast mir das Herz gebrochen, mich vor aller Welt gedemütigt und mein Leben für lange Zeit zerstört. Ich konnte es kaum erwarten, endlich aus dieser Stadt wegzukommen.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das getan habe.«
»Das hast du aber.« Ihre Stimme klang gereizt und zitterte ein wenig. Sie biss die Zähne zusammen, fest entschlossen, keine Gefühle zu zeigen. Er würde sie nicht noch einmal zum Weinen bringen.
»Es tut mir so Leid.« Neely stand langsam auf und bemühte sich, sein linkes Knie dabei nicht zu stark zu belasten. Er legte ihr die Hand auf den Arm und sagte:
»Danke, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, das zu sagen.«
»Keine Ursache.«
»Mach’s gut.«
Mit einem leichten Humpeln ging er den Weg entlang und durch das Gartentor. Als er schon an seinem Auto stand, rief sie: »Neely, warte.«
Im Lauf seiner spannungsgeladenen Romanze mit Brandy Skimmel alias Screamer, einigen wenigen inzwischen auch unter dem Namen Tessa Canyon bekannt, hatte Neely sämtliche abgelegenen Gässchen und verlassenen Straßen in Messina kennen
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