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Der Coach

Titel: Der Coach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Lernt draus, Kinder. Lasst die Finger von dem Zeug.‹ Vielen Dank. Ich hab keine Lust drauf, dass man auf mich zeigt.«
    »Rake würde wollen, dass du kommst«, sagte Neely.
    Das Kinn sank erneut auf die Brust, die Augen schlossen sich wieder. Ein paar Minuten vergingen. »Ich hab Eddie Rake geliebt wie sonst niemanden in meinem Leben. Er war im Gerichtssaal an dem Tag, als sie mich verknackt haben. Ich hatte mein Leben ruiniert und hab mich furchtbar dafür geschämt. Und ich hatte das Leben meiner Eltern zerstört, und das hat mich fertig gemacht. Aber eins hat am meisten wehgetan: dass ich in Rakes Augen versagt hatte. Das tut immer noch weh. Ihr müsst ihn ohne mich begraben.«
    »Das ist deine Gelegenheit, Jesse«, sagte Paul.
    »Danke, ich verzichte.«
    Sie standen lange schweigend da, nickten vor sich hin und starrten zu Boden. Schließlich sagte Paul: »Ich sehe deine Mutter jede Woche. Sie hält sich gut.«
    »Schön. Sie kommt mich jeden dritten Sonntag im Monat besuchen. Du kannst ja auch mal vorbeikommen, einfach Hallo sagen. Ist schon ziemlich einsam hier drin.«
    »Das mach ich, Jesse.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen. Willst du dir das mit morgen nicht nochmal überlegen?«
    »Ich hab’s mir schon überlegt. Ich werde für Rake beten, und ihr Jungs könnt ihn begraben.«
    »Na gut.«
    Jesse warf einen Blick nach rechts. »Ist das Mal da drüben?«
    »Ja, er hat uns hergefahren.«
    »Sagt ihm, er kann mich am Arsch lecken.«
    »Das machen wir, Jesse«, sagte Paul. »Mit dem größten Vergnügen.«
    »Danke, Jungs«, sagte Jesse. Dann drehte er sich um und ging davon.
    Um vier Uhr am Donnerstagnachmittag teilte sich die Menge am Eingangstor von Rake Field, und der Leichenwagen fuhr langsam heran. Die hinteren Türen wurden geöffnet, und acht Sargträger stellten sich in zwei Reihen auf und hoben den Sarg heraus. Keiner der acht war ein ehemaliger Spartan. Eddie Rake hatte seinen endgültigen Abschied minutiös geplant und beschlossen, keine Favoriten zu präsentieren. So hatte er die Sargträger aus seinen Assistenztrainern ausgewählt.
    Langsam zog die Prozession die Tartanbahn entlang. Mrs. Lila Rake ging direkt hinter dem Sarg, mit ihren drei Töchtern und deren Ehemännern sowie einer stattlichen Anzahl Enkelkinder. Dann kam ein Priester und hinter ihm das Trommlerkorps der Spartan-Kapelle. Sie spielten einen leisen Trommelwirbel, als die Haupttribüne passiert wurde.
    An der Seitenlinie der Heimmannschaft, zwischen den Vierzig-Yard-Linien, stand ein großes, weißes Zelt. Die Haltepflöcke steckten in Sandkisten, um den heiligen Bermudarasen von Rake Field nicht zu verletzen. An der Fünfzig-Yard-Linie, genau dort, wo Rake in seinen langen, erfolgreichen Jahren als Coach immer gestanden hatte, hielten die Sargträger an. Sie hoben den Sarg auf einen antiken irischen Totentisch, der Lilas bester Freundin gehörte, und schmückten ihn mit Blumen. Als der Coach dort aufgebahrt war, scharten sich die Familienmitglieder zu einem kurzen Gebet um den Sarg. Dann stellten sie sich auf, um die Beileidsbekundungen entgegenzunehmen.
    Die Reihe der Trauernden reichte die Tartanbahn entlang bis zum Tor hinaus. Auf der Straße zum Rake Field standen die Autos dicht an dicht.
    Neely fuhr dreimal an dem Haus vorbei, bis er schließlich den Mut aufbrachte anzuhalten. In der Auffahrt stand ein Mietwagen. Cameron war also zurückgekehrt. Lange nach der Abendessenszeit klopfte er an die Tür und war dabei fast so nervös wie beim ersten Mal. Damals, als Fünfzehnjähriger, war er mit einer frisch erworbenen Fahrerlaubnis, dem Auto seiner Eltern, zwanzig Dollar in der Tasche und sorgsam vom Flaum befreiten Wangen erschienen, um Cameron zu ihrer ersten richtigen Verabredung abzuholen.
    Damals, vor hundert Jahren.
    Wie damals öffnete Mrs. Lane ihm die Tür, doch diesmal erkannte sie Neely nicht. »Guten Abend«, sagte sie leise. Sie war immer noch schön, charmant, alterslos.
    »Ich bin’s, Mrs. Lane. Neely Crenshaw.«
    Noch während er sprach, erkannte sie ihn. »Aber natürlich, Neely. Wie geht es Ihnen?«
    Er hatte sich gefragt, wie man ihn wohl empfangen würde, nachdem man in diesem Haus sicher nicht sehr gut auf ihn zu sprechen war. Doch die Lanes waren kultivierte Leute, ein wenig gebildeter und ein wenig wohlhabender als die meisten Bewohner von Messina. Falls sie einen Groll gegen ihn hegten – und das taten sie, davon war er überzeugt –, würden sie es sich nicht anmerken lassen. Zumindest die Eltern

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