Der Coach
erstem Team im Jahr 1958«, begann er mit dünner, schleppender Stimme. »Im Jahr zuvor hatten wir drei Spiele gewonnen und sieben verloren. Das galt damals noch als erfolgreiche Saison, zumal wir im letzten Spiel Porterville geschlagen hatten. Unser alter Coach verließ die Stadt und nahm seine Assistenten mit, und es war eine Weile nicht sicher, ob sich überhaupt jemand Neues finden würde. Schließlich wurde ein junger Mann namens Eddie Rake eingestellt, der nicht viel älter war als wir. Er erklärte uns gleich als Erstes, wir seien ein Haufen Versager. Versagen sei wie eine ansteckende Krankheit, und falls wir glaubten, wir könnten bei ihm weiter versagen, dann hätten wir hier nichts verloren. In diesem Jahr meldeten sich einundvierzig von uns für das Football-Team. Coach Rake fuhr mit uns zum Augusttraining nach Page Country in ein altes Jugendlager der Kirche. Nach vier Tagen bestand die Gruppe nur noch aus dreißig Leuten. Nach einer Woche waren wir noch fünfundzwanzig, und so mancher begann sich zu fragen, ob wir wohl lange genug leben würden, um noch ein Team aufs Spielfeld zu schicken. ›Brutal‹ ist kein Ausdruck für dieses Training. Jeden Nachmittag fuhr ein Bus nach Messina, und es stand uns frei einzusteigen. Nach zwei Wochen blieb der Bus leer und fuhr dann auch nicht mehr. Die Jungs, die das Handtuch geworfen hatten, kamen nach Hause und erzählten fürchterliche Geschichten von den Dingen, die in Camp Rake, wie das Trainingslager bald genannt wurde, vor sich gingen. Unsere Eltern machten sich große Sorgen. Meine Mutter hat mir später erzählt, sie habe sich gefühlt, als wäre ich in den Krieg gezogen. Leider habe ich später auch einen Krieg erleben müssen. Und ich muss sagen, Camp Rake war schlimmer.
Wir kamen mit einundzwanzig Spielern nach Hause zurück, mit einundzwanzig jungen Burschen, die nie zuvor so gut in Form gewesen waren. Wir waren ein kleines, langsames Team und hatten keinen Quarterback, aber wir waren von der Sache überzeugt. Unser erstes Spiel fand zu Hause statt, gegen das Team aus Fulton, dem wir im Jahr zuvor hoffnungslos unterlegen waren. Manche von Ihnen erinnern sich sicher noch daran. Nach der ersten Halbzeit lagen wir mit 20:0 in Führung, und Rake stauchte uns zusammen, weil wir ein paar Fehler gemacht hatten. Seine Methode war einfach, aber genial: Halt dich an die Grundlagen und arbeite ununterbrochen daran, bis du sie perfekt beherrschst. Ich habe diese Lektion nie vergessen. Wir haben das Spiel gewonnen und wollten in der Umkleide bereits mit dem Feiern beginnen, da kam Rake herein und schrie uns an, sofort damit aufzuhören. Offenbar beherrschten wir die Grundlagen noch nicht perfekt genug. Also befahl er uns, die Ausrüstung anzubehalten, und als die Zuschauer fort waren, kamen wir zurück aufs Spielfeld und trainierten bis Mitternacht. Wir liefen zwei Spielzüge, so lange, bis alle elf Spieler alles richtig machten. Unsere Freundinnen warteten vergeblich auf uns. Unsere Eltern warteten vergeblich. Es war gut und schön, ein Spiel zu gewinnen, aber langsam begannen die Leute, Coach Rake für verrückt zu halten. Wir Spieler waren bereits überzeugt davon.
In diesem Jahr gewannen wir acht Spiele, verloren nur zwei, und die Legende Eddie Rake war geboren. In meinem letzten Schuljahr verloren wir ein Spiel, und 1960 erlebte Coach Rake seine erste ungeschlagene Saison. Ich war bereits am College und konnte nicht mehr jeden Freitag nach Hause kommen, obwohl ich es zu gern getan hätte. Wenn man unter Rake spielt, wird man Mitglied eines kleinen, exklusiven Klubs, und man beobachtet die Teams, die auf das eigene folgen. In den nächsten zweiunddreißig Jahren habe ich die Spiele der Spartans so intensiv wie möglich verfolgt. Ich war dabei, saß da oben auf der Tribüne, als 1964 die Große Serie begann, und ich war auch in South Wayne dabei, als sie 1970 endete. Gemeinsam mit Ihnen allen habe ich die Großen spielen sehen: Wally Webb, Roman Armstead, Jesse Trapp, Neely Crenshaw.
An den Wänden meines chaotischen Büros hängen die Mannschaftsfotos aller vierunddreißig Rake-Teams. Er schickte mir jedes Jahr ein Foto des aktuellen Teams. Oft kommt es vor, dass ich mir, obwohl ich eigentlich arbeiten sollte, meine Pfeife anzünde, mich vor die Bilder stelle und all die jungen Männer betrachte, die er trainiert hat. In den fünfziger Jahren sind es schmächtige weiße Jungs mit Bürstenschnitt und unschuldigem Lächeln. In den Sechzigern sehen sie schon
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