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Der Coach

Titel: Der Coach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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allem hat er seine Spieler geliebt.«
    Keiner der Spieler hatte vom Coach jemals das Wort »Liebe« gehört. Sollte er sie tatsächlich geliebt haben, hatte er das auf eine sehr merkwürdige Weise gezeigt.
    »Mein Vater hat einen kurzen Brief geschrieben und mich gebeten, ihn heute zu verlesen.« Sie rückte ihre Lesebrille zurecht, räusperte sich und senkte den Blick auf das Blatt in ihrer Hand. »Hier spricht Eddie Rake, die Stimme aus dem Jenseits. Falls ihr gerade weint, hört auf damit.« Aus der Menge war vereinzeltes Lachen zu vernehmen. Die Menschen nahmen den leichteren Tonfall begierig auf. »Ich konnte noch nie was mit Tränen anfangen. Mein Leben ist jetzt vollendet; ihr braucht also nicht um mich zu weinen. Und weint auch nicht um die Vergangenheit. Schaut nicht zurück, es gibt noch so viel zu tun. Ich bin ein glücklicher Mensch, der ein wundervolles Leben hatte. Ich war so klug, Lila sofort zu heiraten, sobald ich sie dazu gebracht hatte, Ja zu sagen. Gott hat uns drei wunderschöne Töchter geschenkt und, nach letztem Stand, acht großartige Enkelkinder. Das allein wäre bereits Glück genug für einen Menschen. Doch Gott hat mir weiteren Segen zugedacht. Er hat mich zum Football geführt und nach Messina, in meine Heimat. Hier habe ich euch getroffen, meine Freunde und meine Spieler. Obwohl ich nie dazu fähig war, meine Gefühle zu offenbaren, sollen meine Spieler doch wissen, dass mir jeder Einzelne von ihnen am Herzen lag. Man fragt sich, wie ein normaler Mensch vierunddreißig Jahre lang Football-Coach an einer Highschool bleiben kann. Für mich war das ganz leicht. Ich liebte meine Spieler. Ich wünschte, ich hätte ihnen das auch sagen können, doch das liegt nun mal nicht in meiner Natur. Wir haben viel erreicht, doch ich will mich nicht mit den Siegen und den Meistertiteln aufhalten. Stattdessen möchte ich diesen Augenblick nutzen, um von zwei Ereignissen zu sprechen, die mir Anlass zur Reue geben.«
    Ellen hielt inne und räusperte sich noch einmal. Die Menge schien geschlossen den Atem anzuhalten. »Nur zwei, in vierunddreißig Jahren. Wie gesagt, ich bin ein glücklicher Mensch. Der erste Anlass zur Reue ist Scotty Reardon. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich je für den Tod eines meiner Spieler verantwortlich sein würde. Doch ich nehme die Schuld an seinem Tod auf mich. Ich hielt ihn in meinen Armen, als er starb, und ich habe seitdem jeden Tag um ihn geweint. Seinen Eltern gegenüber konnte ich diesen Gefühlen Ausdruck verleihen, und ich glaube, im Lauf der Zeit haben sie mir vergeben. An dieser Vergebung halte ich mich fest, ich nehme sie mit mir in den Tod. Jetzt bin ich mit Scotty vereint, in alle Ewigkeit, und in diesem Augenblick schauen wir gemeinsam auf euch herunter und sind mit der Vergangenheit ausgesöhnt.« Ellen hielt erneut inne und trank einen Schluck Wasser. »Der zweite Anlass zur Reue ist ein Ereignis beim Meisterschaftsspiel von 1987. In der Halbzeitpause habe ich in einem Anfall von Jähzorn einen Spieler tätlich angegriffen, unseren Quarterback. Das war unverzeihlich, und ich hätte meine Tätigkeit danach eigentlich nicht weiter ausüben dürfen. Ich bedauere, was ich getan habe. Kurz darauf erlebte ich, wie mein Team sich unter den denkbar widrigsten Umständen behauptete. Ich habe nie zuvor so großen Stolz und so tiefen Schmerz empfunden. Dieser Sieg war mein schönster Augenblick. Bitte verzeiht mir, Jungs.«
    Neely schaute sich um. Alle Köpfe waren gesenkt, die meisten hielten die Augen geschlossen. Silo trocknete sich die Wangen.
    »Aber genug der traurigen Worte. Ich sende liebevolle Gedanken an Lila, an die Mädchen und meine Enkel. Bald sehen wir uns alle wieder, im gelobten Land. Gott möge mit euch sein.«
    Der Chor sang »Just a Closer Walk with Thee«, und die Tränen flossen in Strömen.
    Ohne es zu wollen, fragte Neely sich, ob Cameron ihre Gefühle noch im Griff hatte. Aber sie würde bestimmt nicht die Fassung verlieren.
    Rake hatte drei seiner ehemaligen Spieler in einem Brief vom Sterbebett aus um eine Grabrede gebeten – allerdings sollte es eine kurze sein. Der Honorable Mike Hilliard, seines Zeichens Richter am Bezirksgericht einer Kleinstadt, die etwa hundertsechzig Kilometer entfernt lag, war der erste Redner. Anders als die meisten ehemaligen Spartans trug er einen zerknitterten Anzug und eine schief sitzende Fliege. Er umfasste das Rednerpult mit beiden Händen und sprach frei, ohne Notizen.
    »Ich gehörte zu Coach Rakes

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