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Der Coach

Titel: Der Coach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sich für sein Verhalten entschuldigt. Er nahm mir das Versprechen ab, ihm zu verzeihen, und auch dieses Versprechen habe ich nicht gehalten. Bis heute.«
    Irgendwann hatte Neely, ohne dass er es merkte, den Blick von seinen Notizen und vom Zaun gelöst. Er blickte die Menge jetzt direkt an.
    »Als ich wieder laufen konnte, stellte ich fest, dass es mir zu anstrengend war, Seminare zu besuchen. Ich bin aufs College gegangen, um Football zu spielen, und da das vorbei war, interessierte mich auch das Studium nicht mehr. Nach ein paar Semestern habe ich abgebrochen und mich einige Jahre treiben lassen. Ich habe versucht, Messina und Eddie Rake und all die zerplatzten Träume zu vergessen. Football war ein Tabuwort für mich. Ich habe zugelassen, dass die Bitterkeit weiterschwelte und immer größer wurde, und ich war entschlossen, nie mehr hierher zurückzukommen. Und im Lauf der Zeit habe ich mich nach Kräften bemüht, Eddie Rake zu vergessen.
    Vor ein paar Monaten hörte ich, dass er sehr krank wäre und wahrscheinlich nicht überleben würde. Vierzehn Jahre waren vergangen, seit ich zum letzten Mal auf diesem Spielfeld war, an dem Abend, als Coach Rake mein Trikot aufhängen ließ. Wie all die anderen ehemaligen Spieler, die heute hier sind, verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, nach Hause zu kommen, zurück auf dieses Feld, wo uns einmal die Welt gehört hatte. Unabhängig davon, wie ich persönlich zu Coach Rake stand, wusste ich doch, dass ich hier sein muss, wenn er stirbt. Dass ich mich verabschieden muss. Und dass ich seine Entschuldigung schließlich doch annehmen muss, aus ganzem Herzen. Das hätte ich schon viel früher tun sollen.«
    Die letzten Worte klangen gepresst. Neely klammerte sich am Rednerpult fest, hielt inne und schaute zu Paul und Silo hinüber. Beide nickten, beide signalisierten: weiter so.
    »Wenn man einmal für Eddie Rake gespielt hat, trägt man ihn für den Rest des Lebens mit sich herum. Man hört seine Stimme, man sieht sein Gesicht vor sich, man sehnt sich nach seinem anerkennenden Lächeln, man erinnert sich an seine Standpauken und seine Predigten. Hat man Erfolg im Leben, dann möchte man, dass Rake davon erfährt. Man möchte rufen: ›Hey, Coach, schauen Sie mal, was ich geleistet habe!‹ Und man möchte ihm danken, weil er seinen Spielern beigebracht hat, dass Erfolg kein Zufall ist. Und bei jedem Misserfolg würde man sich am liebsten bei ihm entschuldigen, denn zu versagen hat er uns nicht beigebracht. Er hat es einfach nicht akzeptiert. Man sehnt sich nach seinem Rat, um darüber hinwegzukommen.
    Manchmal hat man auch genug davon, Coach Rake mit sich herumzutragen. Man möchte Mist bauen können, ohne gleich von ihm angeschnauzt zu werden. Man möchte einen Schritt verstolpern und eine Ecke nicht auslaufen können, ohne gleich seine Trillerpfeife zu hören. Und dann befiehlt seine Stimme, man soll sich wieder aufrappeln, sich ein Ziel setzen, härter arbeiten als alle anderen, sich an die Grundlagen halten, sie perfekt beherrschen, selbstbewusst sein, mutig sein und niemals, wirklich niemals aufgeben. Es dauert nie lange, bis man diese Stimme wieder hört.
    Wir verlassen diesen Ort heute ohne unseren Coach. Doch sein Geist wird in den Herzen und Gedanken all der Jungs weiterleben, die er geprägt hat, all der Kinder, die unter seiner Führung zu Männern geworden sind. Ich glaube, sein Geist wird uns für den Rest unseres Lebens antreiben, motivieren und trösten. Nach fünfzehn Jahren denke ich öfter denn je an Coach Rake.
    Eine Frage habe ich mir schon hundertmal gestellt, und ich weiß, dass sich auch alle anderen Spieler mit dieser Frage quälen. Sie lautet: ›Liebe ich Eddie Rake, oder hasse ich ihn?‹«
    Nun versagte Neelys Stimme doch. Er schloss die Augen, biss sich auf die Lippen und versuchte, die nötige Kraft zu mobilisieren, um die Rede zu Ende zu bringen. Dann fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und sprach zögernd weiter:
    »Ich habe mir diese Frage jeden Tag anders beantwortet, seit ich zum ersten Mal seine Trillerpfeife gehört habe und er mich angebrüllt hat. Coach Rake war kein Mensch, den man so einfach lieben konnte, und während man für ihn spielte, konnte man ihn nicht ausstehen. Doch wenn man fortgegangen ist, wenn man diese Stadt verlassen hat, wenn man ein bisschen herumgeschubst wurde, gegen Widerstände gestoßen ist, ein paarmal versagt hat und vom Leben gebeutelt wurde, dann hat man schnell festgestellt, wie wichtig Rake war und

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