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Der Code des Luzifer

Der Code des Luzifer

Titel: Der Code des Luzifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilman
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gebannt, vor allem, wenn noch andere Läufer auf den Hängen unterwegs waren. Er kannte sich in den Bergen gut aus und wusste besser als die meisten anderen, worauf man unter so gefährlichen Umständen zu achten hatte. Sayid war gestern unvorsichtig gewesen. Er hatte die Strecke abseits der Piste entdeckt und als Erster durch den unberührten, tiefen Pulverschnee fahren wollen.
    Max ließ den Blick über die Felshänge und Gipfel schweifen. In der Ferne erhob sich der Pic du Midi d’Ossau wie der Kopf eines Riesenreptils; der gekerbte, dreitausend Meter hohe Gipfel glich einem aufgerissenen Maul. Und das vermeintliche Auge starrte in den Himmel, ohne auf den winzigen Menschen da unten im Tal zu achten.
    Max studierte die Schluchten und Spalten. Aus einem Couloir , einer schmalen Felsrinne oben an einem Hang, stoben Schneeflocken in die Höhe. Er nahm an, dass dort ein Aufwind die Luft durcheinanderwirbelte.
    Alles schien in Ordnung, aber sein Instinkt sagte ihm etwas anderes, warnte ihn, dass da etwas nicht stimmte. In Afrika hatte er gelernt, auf solche Gefühle zu achten, nachdem er dort nur knapp dem Tod entronnen war. Aber jetzt … Was war das nur? Was stimmte hier nicht? Immer noch kein Anzeichen irgendeiner Bewegung. Der Schnee hüllte alles in Stille. Vielleicht war er allzu vorsichtig, vielleicht nagte sein Scheitern bei dem Wettbewerb immer noch an ihm und er war deshalb so unruhig. Nein, da war noch mehr – aber was, das war ihm ein Rätsel. Er sah auf die Uhr seines Vaters. Er hatte noch Zeit, etwas zu tun, was seine Niederlage wenigstens einigermaßen wieder wettmachen konnte.
    Es war ein kalkuliertes Risiko – aber er würde versuchen, Sayids Perlenkette zu finden.
    Max warf einen letzten Blick über das weiße Tal. So weit er sah, war alles sicher. Er fuhr los, glitt durch den tiefen Schnee, der wie zerstoßene Diamanten unter ihm wegstob, auf die Baumgrenze zu, durch die Sayid gestern gefahren war. Nachdem er eine Zeit lang zwischen den tief hängenden Ästen gesucht hatte, entdeckte er schließlich etwas Dunkles vor dem weißen Hintergrund: Sayids Mis baha , die dort hing wie vergessener Christbaumschmuck. Max nahm sie behutsam von dem Ast ab und stopfte die Kette mit den neunundneunzig Perlen in seine Skijacke.
    Jetzt wurde es Zeit; er musste Sayid aus dem Krankenhaus abholen, seine Sachen packen und nach Hause fahren.
    Als er plötzlich eine Bewegung wahrnahm, duckte er sich so schnell, als habe er die Gefahr schon die ganze Zeit über geahnt. Dreihundert Meter von ihm entfernt kam ein Skiläufer aus einer Rinne geschossen. Die große schwarze Gestalt flog zehn Meter in die Tiefe, landete äußerst gekonnt im Schnee, machte eine scharfe Kehre und sauste mit enormem Tempo den Hang hinunter.
    So etwas Verrücktes hatte Max noch nie gesehen.
    Der Skiläufer war ein Mann mit grauem Vollbart. Ein Mönch. Sein dichtes, schulterlanges Haar flatterte hinter ihm her wie eine Pferdemähne. Er trug nur eine Kutte, die im Fahrtwind wild hin und her schlug; die Kapuze wirkte beinahe wie ein Bremsfallschirm hinter seinem Kopf. Er konzentrierte sich so sehr, dass er weder nach links noch rechts sah und Max gar nicht bemerkte.
    Sekunden später schoss aus demselben Couloir eine zweite Gestalt hervor. Während aber der Mönch nur bizarr gewirkthatte, machte dieser Skiläufer einen ausgesprochen bedrohlichen Eindruck. Auf kohlefaserverstärkten Skiern sauste er wie ein Phantom durch den Schnee. Zu hören war dabei nur das sirrende Geräusch seiner Skier. Zu sehen bekam Max kaum etwas von ihm, da er fast ganz hinter dem von ihm aufgewirbelten Schneeschleier verschwand, ehe er zehn Meter weiter bergab wieder auftauchte. Das Skigespenst trug einen einteiligen Skianzug und einen schwarzen Helm mit Gesichtsschutz. Auch die Skier waren schwarz. Dass Max ihn nur undeutlich sehen konnte, lag an dem unregelmäßigen Muster seines Anzugs, weiß mit gezackten Linien dazwischen, wie die Adern eines Blatts. Im Schnee die perfekte Tarnung.
    Max hatte sich nicht bewegt. Der Mönch und sein Verfolger befanden sich etwa auf seiner Höhe, als das Phantom, ohne an Tempo zu verlieren, mit einer Hand in seinen Nacken fuhr, dort etwas packte und nach vorne holte. Ein Gewehr mit schwarzweißen Tarnstreifen, wie es von Soldaten und Marines im Winter benutzt wurde. Mit einer einzigen geübten Bewegung hob er das Gewehr an seine Schulter.
    »Nein!«, rief Max. Der Schrei hallte durchs ganze Tal.
    Beide Skiläufer blickten gleichzeitig in

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